Ein kurzer, prägnanter Faktencheck zu Beginn: Darren Aronofsky gehört seit dem Titel „Requiem for a Dream“ zu meinen absoluten Lieblingsregisseuren und befindet sich mittlerweile auf meiner persönlichen Top-10-Liste moderner Filmemacher. (neben Ari Aster, Jordan Peele, Ti West, Alex Garland, Robert Eggers, Yorgos Lanthimos, Damien Chazelle, …) Man muss auch fairerweise sagen, dass mir nicht jeder Film von Aronofsky gefällt. Auch hier gibt es immer wieder mal Ups & Downs, bessere sowie schwächere Produktionen. Zum Beispiel mag ich seinen „The Wrestler“, oder auch „Black Swan“ unfassbar gerne, da lassen sich für mich viele positive Aspekte herausfiltern, auch den Interpretationsansatz finde ich überaus interessant, würde allerdings Arbeiten wie „Noah“ oder „The Fountain“ direkt auf den Scheiterhaufen knallen. So weit dazu.
Dieses eine spezielle Machwerk, das mich während und nach dem Kinobesuch so unfassbar lange beschäftigt hat, ist „mother!“ Damit hat sich Darren Aronofsky den Platz in meiner ewigen Ruhmeshalle fix gesichert und ist aus meinem Favoritenkreis nicht mehr wegzudenken.
Bevor ich aber zum Kern der Sache und zu dem „Warum“ komme, möchte ich noch ein klein wenig ausholen: Als ich mir damals den ersten Trailer – einige Monate vor Kinostart – angeschaut habe, wusste ich SOFORT, dass „mother!“ eine Welle der Empörung lostreten wird, beziehungsweise, dass er einfach nicht gut wegkommt, weil er eben wieder als klassischer "Horrorthriller" angepriesen wurden, die Leute sich genau diese Art von Film erwartet haben und selbstverständlich hinterher maßlos enttäuscht wurden. Klar ist auch: Wenn dir jemand etwas ganz Spezielles verspricht, dann willst du doch, dass derjenige sein Versprechen einhält, oder? Und wieder einmal haben wir ein vollkommen fehlgeleitetes Marketingkonzept, das zu 100 % nach hinten losgegangen ist.
SPOILERWARNUNG: Die folgenden Ausführungen könnten Spoiler-Informationen enthalten.
Kommen wir nun zum Film:
„mother!" ist definitiv kein klassifizierter Genrefilm, er versucht auch niemals einer zu sein, und möchte mit Sicherheit über die Laufzeit gerechnet keiner werden, dafür ist er entschieden zu langsam erzählt, zu speziell konstruiert. Worum geht’s? Jennifer Lawrence & Javier Bardem bewohnen gemeinsam ein abgelegenes Haus auf einer Waldlichtung und leben ein beschauliches Dasein. Während sie (im Film nur als mother! bezeichnet) ständig versucht, das Innenleben des Hauses zu renovieren, arbeitet er (genannt als „Er“) akribisch daran, seine Schreibblockade als Autor in den Griff zu kriegen. Da ihm scheinbar seine Ehefrau als Muse nicht mehr ausreicht, ist er stets auf der Suche nach neuen Inspirationsquellen, die er – Gott sei Dank - in Form von unangemeldetem Besuch auch findet. Ab dem Zeitpunkt, wo die idyllische Zweisamkeit durch eben jene „Eindringlinge“ gestört wird, beginnt für „mother" eine völlig beklemmende und nicht zuletzt aussichtslose, gewaltsame Abwärtsspirale, aus der sie sich nicht mehr befreien kann. So viel zur Inhaltsangabe.
Dieser völlig psychotische, Nerven überfordernde Niedergang, diese psychischen Misshandlungen, denen die Figur von Jennifer Lawrence ständig ausgesetzt ist, wird auch auf das Publikum gnadenlos niederregnen, sodass ich euch sagen muss: Dieser Film – vor allem das letzte Drittel – hat mich seelisch komplett überfordert, fertig gemacht und schockiert. Selbst als recht umtriebiger Filmekenner & Filmeliebhaber kann ich bestätigen, dass ich einen derartigen Stoff noch niemals gesehen habe. Definitiv nicht. Denn Aronofsky hat mit „mother!“ eine nahezu makellose Bibel-Allegorie konzipiert, die behutsam beginnt, immer lauter wird, meist theatralische Formen forciert und in einem katastrophalen, von Gewalt dominierten Schlussakt mündet. Außerdem zeichnet er die „Entstehungsgeschichte der Welt“ - originalgetreu - nach, führt uns zwei Stunden lang in fabulierenden Szenenbildern vor Augen, wie grausam wir mit Mutter Erde umgehen, wie wir sie ausbeuten, ignorieren und letztendlich zum Sterben zurücklassen. Es ist aber auch eine Erzählung vom fehlbaren Mensch-Dasein, vom generellen Rollen- und Machtverhältnis zwischen Mann und Frau, eine Geschichte davon, wie schnell und problemlos sich religiöse Tendenzen zum Fanatismus auswachsen können und - nicht zuletzt - dass man stets gut daran tut, sein eigenes Glaubensbekenntnis immer wieder zu hinterfragen.
Untermalt wird das Ganze von einem Jóhann Jóhannsson-Soundkonzept, das nur deshalb aus diesen höchst schrillen, unorthodoxen, fast schon störenden Geräuschen besteht, weil er sich vor Drehstart dazu bereit erklärt hat, seine gesamte Arbeit wieder zu verwerfen, zum Wohle des Projektes, damit sich „mother!“ im Stillen entfalten kann.
Auch nach dem mittlerweile zehnten Rewatch stelle ich mir immer noch die Fragen: Lässt mich „mother!“ mit einem positiven Gefühl zurück? Auf gar keinen Fall! Überfordern mich die Geschehnisse immer noch heillos? YES! Schaue ich mir „mother!“ tatsächlich gerne an? Nicht wirklich. Doch obwohl jeder neue Versuch, das Konzept-„mother!“ lieben zu lernen, kläglich scheitert, finde ich Aronofskys Arbeit schlichtweg sensationell: Das Drehbuch ist einmalig, ich liebe jede einzelne Story-Komponente, die Bilder, die Farbdarstellungen sind phänomenal, das Sounddesign in bester Manier grausam UND: Jennifer Lawrence wurde derart ästhetisch, völlig natürlich, beinahe makellos in Szene gesetzt, dass ich jedes Mal aufs Neue fasziniert davon bin, wie Aronofsky sie einmal wahrgenommen hat.
Inhaltsangabe:
Ein Dichter und seine Ehefrau haben sich in die Abgeschiedenheit eines viktorianischen Landhauses zurückgezogen. Er versucht, seine Schreibblockade zu überwinden. Sie richtet das Haus ein, kocht essen, wäscht – und wird zunehmend von alptraumhaften Eindrücken geplagt. Plötzlich steht überraschender Besuch vor der Tür: ein Fremder und wenig später dessen Ehefrau. Das Paar wird vom Dichter eingeladen, zu bleiben – obwohl die junge Frau des Künstlers, der die Aufdringlichkeit der Besucherin nicht behagt, Bedenken hat. Und die nächste Invasion des Refugiums lässt nicht lange auf sich warten: Die Söhne des fremden Ehepaares tauchen auf und tragen ihren zunehmend heftigeren Streit im Haus aus…
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