Nachdem mir „The Babadook“ von Jennifer Kent - vor allem nach dem Rewatch - auch noch den allerletzten Nerv gezogen hatte, wollte ich erstmal von diesen mittelmäßigen Regiearbeiten Abstand nehmen. Da ich aber „The Nightingale“ schon eine gefühlte Ewigkeit auf meiner Watchlist habe, wollte ich Kent nochmal die Chance geben, mich zu überzeugen und schlussendlich abzugreifen, ob sie aus ihren dilettantischen Babadook-Fehlern gelernt hat. Ich sag’s gleich vorweg: Leider steigt auch „The Nightingale“ keinen einzigen Millimeter aus der Mittelmäßigkeit empor. Dabei begann diese vermeintliche Rachegeschichte richtig vielversprechend. Vor allem die ersten 20 Minuten haben es in puncto psychische/physische Gewalt ganz schön in sich und schüren das Verlangen nach Vergeltung - von Sekunde zu Sekunde - immer mehr. Preisfrage: Was macht Jennifer Kent nach dieser gelungenen Anfangsphase? Sie schickt ihre - zunächst - scheinbar gut konzipierte Protagonistin auf eine hyperlangwierige Abenteuerreise durch die Wildnis, lässt ihr auf der gesamten Odyssee keinerlei Persönlichkeitsentwicklung durchleben, packt Klischee auf Klischee auf Klischee, und tut wirklich alles dafür, dass sich sämtliche Rachegefühle, die beim Publikum möglicherweise entstanden sein könnten, in Schall und Rauch auflösen. Genau das ist mir widerfahren. So sehr ich mich auch bemüht habe, all die positiven Aspekte des Films hervorzuheben, werden sie durch diesen verflucht langweiligen und lapidar zusammengeschnittenen Mittelteil-Nonsens wieder zu Brei getreten. Teilweise driften sogar ganze Handlungskomponenten ins Lächerliche über, was mir ehrlich gesagt, überhaupt nicht gefallen hat. Auch diese kleinen Horror-Einschübe, die einzelne Szenen aufbauschen sollten, hätte der Film absolut nicht gebraucht. Warum nicht einfach straight das Drama unter dem Deckmantel einer Rachefantasie fertig erzählen, das man sich mühevoll aufgebaut hat? Und warum muss man derart krampfhaft eine Art Anti-Rassismus-Thematik vom Zaun brechen, die für den Konsens der Geschichte ohnehin nichts übrig hat. WHY? Versteht mich bitte nicht falsch: Den Film kann man sich schon ansehen. Wenn man die langatmigen Passagen ausblenden kann, keine großen schauspielerischen Erwartungen an den Cast stellt, und das teilweise hanebüchene Drehbuch ignoriert, dann kann man sich mittelprächtig gut berieseln lassen, aber jetzt mal ernsthaft: Das ist doch keine brutale, Gore-lastige Rachegeschichte. Das Ganze hatte sich zwischenzeitlich so angefühlt, als wäre Dr. Quinn mit Byron Sully auf einem ausgiebigen Waldspaziergang unterwegs, um die Cholera in den Griff zu kriegen. (Das erste Drittel außen vor gelassen) Da steckt keine ernstzunehmende Botschaft dahinter, keine greifbare Moral, das zu behandelnde Thema wird nicht ansatzweise pro-feministisch abgearbeitet, so wie es eigentlich hätte sein MÜSSEN, ganz im Gegenteil: hier wird zusätzlich zur permanenten seelischen/körperlichen Gewaltverherrlichung, Unterdrückung und Folter gegenüber Frauen, dann auch noch die scheinheilige Anti-Rassismus-Keule ausgepackt, NEIN! Wisst ihr was: Ich mag diesen Film einfach nicht, ich mag die Regiearbeit von Jennifer Kent nicht, und von einem bahnbrechenden Meisterwerk - wie er seitens der Presse gehandelt wird - sind wir tausende von Meilen entfernt.
Inhaltsangabe:
Tasmanien 1825: Für die junge irische Gefangene Clare ist das Leben in der australischen Strafkolonie die Hölle. Als Leibeigene von Leutnant Hawkins ist sie permanentem Missbrauch ausgesetzt und muss schließlich sogar mitansehen, wie ihre Familie grausam ermordet wird. Getrieben von ihrem Wunsch nach Vergeltung, will sie ihre Peiniger zur Strecke zu bringen. Unterstützt wird Clare dabei von einem einheimischen Fährtenleser, mit dem sie das Schicksal der Entrechteten und ihren Durst nach Rache teilt …
Stark besetzter, unerbittlicher und eiskalter Rachethriller von Jennifer Kent, die Regisseurin des modernen Kult-Klassikers DER BABADOOK und Gewinnerin des Jurypreises bei den Filmfestspielen von Venedig. Inspiriert von historisch verbürgten Ereignissen hat Kent einen beeindruckenden und aufwändig inszenierten Rachewestern geschaffen, der sein Publikum sprachlos zurücklässt. An der Seite der grandios spielenden Aisling Franciosi ist Sam Claflin (DIE FARBE DES HORIZONTS, EIN GANZES HALBES JAHR) in einer Hauptrolle zu sehen.
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