Rezension: "Krawall und Kekse“ von Shirley Jackson

„Für die Großeltern meiner Kinder“ ist die wahrscheinlich distanzierteste und gleichzeitig aussagekräftigste Widmung die mir je unter die Augen getreten ist. Dass sie auch noch von Horror-Ikone Shirley Jackson stammt, verleiht der Brisanz dieser Aussage - meiner Meinung nach - einen gewaltigen Touch. Daraus lässt sich nämlich ganz klar die emotionale Reserviertheit Shirleys zur ihren leiblichen Erzeugern ableiten, man kann auch deutlich spüren, dass sie sich ihrer vordefinierten Rolle als Mutter, Haus- und Ehefrau höchstwahrscheinlich pflichtbewusst hingegeben hat, ohne sich dabei aber von den gesellschaftlichen Zwangsstrukturen der damaligen Zeit unterwerfen zu lassen. Außerdem schließe ich aus dieser Widmung, da sie weder ihre Eltern, noch ihre Kinder beim Vornamen nennt, und ihr Ehemann nicht einmal Erwähnung findet, dass sie auch zum engsten Familienkreis ein recht unterkühltes, unnahbares Verhältnis gepflegt haben muss.

Ja tatsächlich, genau diese Thesen stelle ich dieser Dedikation voran. Und im Laufe der Geschichte bewahrheitet sich einiges sogar. Nicht alles, aber vieles.

Der rote Faden allerdings, der sich konstant durch den gesamten Roman durchzieht, ist die Tatsache, dass Shirley Jackson zu keinem Zeitpunkt versucht hat, jegliche Aspekte des Mutterdaseins, egal ob emotional nah oder fern, zu idealiseren.

Sie beschönigt rein gar nichts, geht mit der Realität verdammt hart ins Gericht und lässt Alltagssituationen aufleben, mit denen wir doch alle,…ALLE bestens vertraut sind.

Sie tut dies übrigens mit dem größtmöglichen Gespür für Detailtreue und versucht stets die humorvolle Seite des Familienlebens an die Oberfläche zu tragen. Doch jeder von uns weiß: Unter der humoristischen Slapstick-Ebene liegt so viel unverkennbarer Wahrheitsgehalt. Man bedenke, wir schreiben das Jahr 1953, als Shirley Jackson diese Zeilen veröffentlichte, in dem Wissen, dass sie sich mit diesem Text demonstrativ gegen eine feste (Haus-)Ordnung aufzulehnen versuchte. Denn einige Sachverhalte scheinen klar geregelt zu sein (damals, oftmals aber auch heute noch sichtbar/spürbar. Viel zu oft.): Kindererziehung ist Frauensache. Hausarbeit ist Frauensache. Den Ehepartner für den beruflichen Erfolg freizuspielen ist Frauensache. (Und stand ohnehin nicht zur Debatte.) Den sexuellen Pflichten nachzukommen ist Frauensache.

Über das Männerbild in den frühen 30er-/40er-Jahren brauchen wir an dieser Stelle nicht mehr sprechen.


Man könnte es wie folgt zusammenfassen:


»Ist es ironisch oder folgerichtig, dass einer der großartigsten Texte über Mutterschaft von einer Horrorautorin stammt? Jackson verwandelt die Frustration einer Haus- und Ehefrau in ein humorvolles Meisterwerk.« (The Guardian)


Mein (abgekürztes) Fazit lautet:


Shirley Jackson ist und wird es wohl auf Ewig bleiben: Eine der ALLERBESTEN Schriftstellerinnen überhaupt, die absolut jedes Thema mit Respekt behandelt hat, es strukturiert durchsieben konnte, sich für den realistischen Kern niemals zu schade war und aus jedem noch so kleinen Ideenfetzen, eine hervorragende, stilistisch perfekt in Szene gesetzte Geschichte entwerfen konnte. Auch wenn sie sich eigentlich dem Unheimlichen verschrieben hatte, so war es ihr (augenscheinlich) ein Leichtes, andere Genre zu bespielen. Auch wenn wir es hier mit einem biografischen Bericht zu tun haben, so ist der Alltagshorror, in dem viele von uns stecken, eine unverkennbare Tatsache.


Von mir gibt‘s eine ganz klare Empfehlung!


Inhaltsangabe:


Die große Wiederentdeckung: Shirley Jacksons Bestseller über ihr turbulentes Familienleben.

Neben ihrem Talent für das Schaurige war die große amerikanische Autorin Shirley Jackson bekannt für die absurd-komische Betrachtung ihres Lebens als Ehefrau und Mutter von vier Kindern in einem baufälligen Herrenhaus in Vermont. In ›Krawall und Kekse‹, das erstmals 1953 erschien, hadert sie mit liegenbleibenden Autos, Haushaltshilfen, die nicht wiederkommen, und einem selbstvergessenen Ehemann, der mit seinen Nachkommen erst etwas zu tun haben will, wenn sie lesen und schreiben können. Auch die altklugen Kinder tanzen ihr auf der Nase herum: Sohn Laurie erfindet einen aufmüpfigen Klassenkameraden, dem er seine eigenen Streiche anhängt. Tochter Jannie geht nirgends ohne ihre Puppen-Entourage hin, Baby Sally isst eine Spinne und grinst triumphierend. 
Dieses Buch ist ein zeitloses Lesevergnügen, das unterschwellig damalige wie gegenwärtige Rollenverhältnisse aufs Korn nimmt. So berührt es alle, die in Mehrfachrollen stecken und die Herausforderungen der sogenannten Work-Life-Balance kennen.


Pressestimmen:


»Dieses Buch unterhält hervorragend – dabei ergibt sich seine Komik häufig aus der großen Diskrepanz zwischen den Erwartungen, die an Frauen gestellt werden, und der Realität des Familienalltags.« Nicole Seifert

»Shirley Jackson ist die Wiederentdeckung der Stunde.« Till Raether

»Shirley Jackson ist eine unvergleichliche Schriftstellerin, deren Werk nach wie vor ein großer Zauber innewohnt.« Joyce Carol Oates

»Ich habe bei diesem Buch so viel gelacht, dass ich Tränen in den Augen hatte und nicht weiterlesen konnte.« Orville Prescott, The New York Times

»Nie wurde das Alltagschaos einer Familie so genau beleuchtet. Dabei ist Jacksons Buch überraschend modern – weil sie sich weigert, Mutterschaft zu idealisieren.« The New York Times Review of Books

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