Rezension: "Die Leuchtturmwärter“ von Emma Stonex

Gleich vorweg: Um der Intensität dieser Geschichte, der malerischen Erzählstruktur und der nuancierten Harmonie zwischen den Handlungssträngen gerecht zu werden, möchte ich meine Buchbesprechung mit zwei lobenden Äußerungen beginnen:


„Ein außergewöhnliches Buch! Durch jede Seite, jede Figur hallt die dunkle, mächtige Präsenz des Meeres wider.“ (Raynor Winn, Autorin des Bestsellers »Der Salzpfad«)


„Mystery, Liebesgeschichte und Schauerroman in einem. Ich wollte nicht, dass es endet!“ (S J Watson)


Warum ich diese beiden Statements der eigentlichen Rezension voranstelle, hat einen - in diesem speziellen Fall - ganz bestimmten Grund: Hier haben wir Impressionen von zwei Autoren, die in ihrem Dasein als Schriftsteller/Schriftstellerin nicht unterschiedlicher sein könnten: Raynor Winn, Romanautorin von „Der Salzpfad“ und Steve Watson, Thrillerautor von „Ich. darf. nicht. schlafen“. Zwei völlig unterschiedliche Blickwinkel, zwei grundverchiedene Passionen, zwei differenzierte Geschichtenerzähler.

Und GENAU DARIN liegt die Kraft von „Die Leuchtturmwärter“: In der Komplexität der Erzählung und in der Zeichnung authentischer, aber dennoch schwer verdaulicher Szenenbilder. Die Power liegt aber auch in der fehlenden Kategorisierung, in der Schwere der genauen Genrezuordnung, in der Freiheit, Grenzgänge zu wagen und zwischen den Stilmitteln zu wechseln. Fakt ist: Emma Stonex hat hier eine wahnsinnig dynamische Kulisse gezeichnet, ein gewaltiges Konstrukt aufgebaut, das von atmosphärischen Schauplätzen förmlich umzingelt wird, wahnsinnig authentische Charaktere beheimatet und sich bis zum Schlussakt nie wirklich festlegt, in welche Schublade es gerne gesteckt werden möchte.

Haben wir es mit einem Mystery-Drama zu tun? Einem Abenteuerroman? Einer Lovestory? Einem Schauerroman? Keine Ahnung! Wahrscheinlich liegt die Antwort irgendwo dazwischen, in Form einer wohldosierten Mixtur aus mehreren verschiedenen Gattungen und Gefühlsregungen.


Doch das wohl Kurioseste an diesem Roman - abgesehen von der Sprunghaftigkeit der Charaktere und dem ständigen Genrewechsel - ist die Eigenwilligkeit von Stonex‘ Schreibstils, der sich durch langes, ununterbrochenes Monologisieren auszeichnet.

Könnt ihr euch eine Geschichte vorstellen, in der es einen Protagonisten gibt, der auf knapp 450 Seiten kaum ein Wort spricht, und dennoch permanent anwesend ist? Gibt’s nicht, oder? Doch! Und zwar genau hier. (Ein ähnliches Konzept habe ich bei Simon Lelics „Ein toter Lehrer“ gesehen.) Interessant, äußerst auffallend und extrem ungewöhnlich! Ein Beispiel:


„[…] Tut mir leid, dass es hier so unordentlich ist. Nett von Ihnen, das zu sagen, aber das ist es wirklich. Kann ich Ihnen einen Tee oder Kaffee anbieten? Tee, sehr schön – Milch und Zucker? Natürlich, heutzutage nimmt jeder Milch und Zucker.“


Zugegeben: Man muss sich mit dieser Art des Storytellings erst einmal anfreuden, ganz klar. Hat man diese Barriere schlussendlich durchbrochen, dann wird man diesen unkonventionellen, sinnierenden Exkurs lieben (lernen)! So ist es mir zumindest ergangen.


Fazit:


Die Geschehnisse in dieser höchst sensiblen Erzählung lassen sich wohl am treffendsten mit einem alten Öldgemälde vergleichen, das - ursprünglich eine idyllische Szene simulierend - ständig seine Form/Darstellung verändert; nämlich genau dann, wenn der Blick für einen ganz kurzen Moment schweifen gelassen wird, permanent dem subjektiven Gefühl ausgesetzt, es könnte sich jederzeit etwas Schlimmes ereignen. Soll heißen: Dieser Roman ist wie die bekanntliche Ruhe vor dem Sturm, nur mit dem Unterschied, dass die ruhigen Passagen gar nicht mal so friedvoll sind und die stürmischen Elemente wie ein Tornado durch die Magengrube ziehen. Es geht um das Verschwinden von Menschen, ums gezwungene Isolieren und Vereinsamen und darum, sich mit dem ungeklärten „Warum“ auseinanderzusetzen. Ich würde das so zusammenfassen: Der Roman - „Die Leuchtturmwärter - hat den mysteriösen Grundtonus von Chizmars „Widows Point“, kombiniert mit der sprachlichen und atmosphärischen Wucht von Hargraves „VARDØ“. Ein wahrlich böses, giftiges, hervorragend geschriebenes Stück Literatur, das so schön, so charakteristisch und beschaulich gefertigt wurde, dass einem die Grausamkeiten der Gegebenheiten doppelt so hart erwischen.


„Drei Männer allein in einem Leuchtturm mitten im Meer. Daran ist nichts Besonderes, überhaupt nichts, nur drei Männer und eine Menge Wasser. Nicht jeder hält es gut aus, eingesperrt zu sein. Einsamkeit. Isolation. Eintönigkeit. Kilometerweit nichts als Meer und Meer und Meer. Keine Freunde. Keine Frauen. Nur die beiden anderen, tagein, tagaus, keine Möglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen, das könnte einen schon völlig verrückt machen.“ (Seite 16)


Inhaltsangabe:


In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung. 


Emma Stonex hat in ihrem Roman »Die Leuchtturmwärter« ein fesselndes Drama über Verlust und Trauer geschaffen – und über die Liebe, die es braucht, um das Licht am Brennen zu halten, wenn alles andere von Dunkelheit verschlungen wird. 


»Misstrauen, Lügen und eine doch außergewöhnliche Liebe verbindet diese Frauen in einem Roman, der sich für Hoffnung und Zusammenhalt ebenso interessiert wie für Mord und Rache.« (Guardian)


»Ein erstklassiges Debüt« (The Guardian)


»Faszinierend wie ein aufgewühltes Wintermeer« (The Sunday Times)


»Wunderbar klug und atmosphärisch« (Observer)

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