Rezension: "Rache“ von Reinhard Haller

„Rache ist ein Gefühl, das in allen, auch den engsten, Beziehungen vorkommt, nicht selten folgen den Rachegedanken auch Taten. Meist sind es nur alltägliche Bösartigkeiten, manchmal aber auch unglaubliche Verbrechen.“


Dieser Einstieg klärt direkt auf. Präzise. Kurz und bündig. Er ist aber auch erschreckend. Erschreckend deshalb, weil Rache eine überaus treibende Kraft ist, die allgegenwärtigen zu sein scheint. Immer. Überall. Gut, dass Reinhard Haller seine beruflichen Ambitionen und seine Expertise dazu verwendet hat, diesem elementaren Grundgefühl der Menschheit auf den Zahn zu fühlen. Wer aber glaubt, Reinhard Haller (Psychiater, Psychotherapeut, forensisch-psychiatrischer Gerichtsgutachter) schwadroniert ohne Ende, redet schwülstig, prahlt, verleitet, gibt vor, der ganz große Hindoktor, der Mörderversteher, der dicke, allwissende Zampano zu sein, der liegt sowas von daneben. Denn ich kann mich nicht daran erinnern, je einen sachbuchartigen Text gelesen zu haben, der dem charmanten, leidenschaftlichen Charakter dieser Dokumentation - auch nur ansatzweise - näherkommt, bzw. eine derart ausgewogenen Balance zwischen faktenreicher Prämisse und intelligenter Denkansätze bietet. DOCH! Einen (literarischen) Text gibt es, der es mit diesem Buch aufnehmen kann, und das ist „Böse“, der ebenfalls von Haller stammt.


Am Ende bleiben die Fragen: Wo beginnt die Fantasie, wo der Racheakt? Warum endet er (zu)meist in den dumpf beleuchteten Räumlichkeiten eines Leichenschauhauses? Muss man endgültig töten, um Gerechtigkeit wieder zu erlangen, oder würde es genügen, das potenzielle „Opfer“ zumindest krankenhausreif zu ärgern? Welches Individuum ist zu solchen Gefühlen überhaupt fähig? Und die alles entscheidende Frage: Wie unterscheidet sich dieses Motiv von all den anderen?


Um es mit den Worte von Reinhard Haller zu sagen:


„Rache durchdringt unser Leben, das individuelle wie das gesellschaftliche. Sie steuert unser Verhalten und begleitet uns von der Kindheit bis zum Tod, manchmal darüber hinaus. Alles rächt sich: Das Schicksal und die alten Fehler, die Sünden der Vergangenheit und die fehlerhaften Entscheidungen, die falschen Freundschaften und die gebeutelte Umwelt, ja selbst die Rache rächt sich. [...] Und wenn Ihnen dieses Buch nicht gefällt, werden Sie sich durch eine Null-Sterne-Bewertung rächen oder zumindest Schadenfreude empfinden, wenn es von der Kritik zerrissen wird.“


Inhaltsangabe:


Vom Gedanken zur Tat.


Der Autor kennt Süße und Bitternis der Rache aus der psychotherapeutischen Praxis. Und auch das unvermeidliche Schuldgefühl, das darauf folgt.


Ist die Seele verletzt, das Ego beleidigt, ist der Wunsch nach Rache nicht weit. Der Psychotherapeut und Bestsellerautor Reinhard Haller kennt die kleine, fiese, quälende innere Stimme, die nach Revanche schreit, die das vermeintliche oder tatsächliche Unrecht sühnen will. Er kennt aber auch die großen Kriminalfälle, in die er als forensischer Psychiater Einblick hatte. Er zeigt, in welche Abgründe die Rachsucht führt und, dass auch die süßeste Rache einen bitteren Beigeschmack hat. Und dieser existiert in Gestalt von Schuld und schlechtem Gewissen länger, als die Süße anzuhalten vermag.

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