Rezension: "Der Ozean am Ende der Strasse“ von Neil Gaiman

Zu meiner eigenen Schande muss ich gleich zu Beginn gestehen, dass ich noch nie einen Titel von Neil Gaiman gelesen habe. (Ich weiß: Schande über mein Haupt.) Ganz schön komisch, wenn man bedenkt, dass Gaiman bereits zahlreiche, namhafte Bücher publiziert hat und diese - mehr oder weniger - spurlos an mir vorübergezogen sind. Mal ganz abgesehen von den ganzen Auszeichnungen, die Gaiman im Laufe seiner bisherigen Karriere eingesammelt hat: „Deutschen Phantastik Preis“, „Eisner Award“, „World Fantasy Award“, „Hugo Award“, „Nebula Award“, „Locus Award“, „British Fantasy Award“. Außerdem ist er stolzer Träger der „Newbery*- und Carnegie-Medal“ (*Angesehenster Kinderbuchpreis der Vereinigten Staaten)

Natürlich sind mir die Inhaltsangaben und groben Umrisse seiner Bestsellerwerke - unter anderem: „Der Ozean am Ende der Straße“ - bestens bekannt. Leider habe ich es - bis dato - noch nicht fertiggebracht, in die Welt von Neil Gaiman einzutauchen. Das sollte sich nun prompt ändern. Aus diesem Grund habe ich mir diese wunderschöne, illustrierte Sonderausgabe zuschicken lassen.


Und: Was soll ich sagen? 


In optischer Hinsicht: Ein absolutes Meisterstück! Das ist - ohne Übertreibung - eines der schönsten und kreativsten Bücher, die ich jemals in der Hand gehalten habe. Von der Beschaffenheit bis hin zur Ästhetik. Ein großes Lob geht an die Coverdesigner und an die Illustratorin Elise Hurst, für diese sensationelle Leistung.


Im Laufe dieser ganz besonderen Geschichte, haben sich einige Stärken herauskristallisiert, die ich zukünftig - sofort - mit Neil Gaiman in Verbindung bringen werde. Der Einfachheit halber werde ich diese auf drei Kernpunkte reduzieren:


  1. Es ist deutlich spürbar, wie intensiv sich Gaiman mit der emotionalen Komponente seiner Erzählung auseinandersetzt hat und diese auf seine Protagonisten projeziert. Davon profitieren nicht nur die einzelnen Handlungsstränge, sondern auch die Nebencharaktere, die Atmosphäre und schlussendlich auch die Leser.
  2. Äußerst prägnant habe ich übrigens auch die problemlose, spielerische Leichtigkeit empfunden, mit der Neil Gaiman scheinbar harmlose, alltägliche, beinahe kindliche Episoden, in einen modernen, reifen Kontext bringt. Man kann den leichtsinnigen Charakter einer Coming-of-Age-Story - in Form von prägnanter Flashbacks - erfühlen, und erlebt die stetige Wandlung zum Drama. Ein waghalsiger Drahtseilakt, der die gängigen Genregrenzen aufbricht, immer wieder mal poetische Einschläge durchblicken lässt, sich neu formiert und letztendlich - und das ist ganz klar das Wichtigste - inhaltlich vollends überzeugt. Stark !
  3. Eine Erzählung - und ist sie noch so mühevoll konzipiert - ist Abfall, wenn ihr die authentischen Figuren, die zwischenmenschlichen Töne und die glaubhaften Interaktionen fehlen. Gaiman hat sie hier vereint und zu einem glaubwürdigen Konvolut zusammengefasst!


Um es kurz zu machen: Diese Geschichte ist eine Sensation, eine atemberaubende Wucht. Neil Gaiman besitzt so unfassbar viel Gefühl beim Schreiben, lässt sorgsam seine Sätze entstehen, und beweist eine kraftvolle Portion Empathie, nicht nur für die Zeichnung seiner Charaktere, sondern auch im Aufbau seiner Haupthandlung. Die vielen Tuschezeichnungen von Elise Hurst unterstützen das Ganze.

Was mich aber echt positiv überrascht hat, dass waren die großzügig gestreuten Horrorelemente, die der Geschichte eine ganz besondere Note verliehen haben. Diese Wechselwirkung zwischen Jugendepisode, Fantasyroman und subtilem Horror, hat für mich DEN Unterschied ausgemacht.


Inhaltsangabe:


Neil Gaimans Meisterwerk jetzt aufwendig illustriert von Elise Hurst.


Sussex, England. Ein Mann kehrt in seinen Heimatort zurück. Wie durch Magie zieht es ihn zu der Farm am Ende der Straße. Dort ist ihm damals ein bemerkenswertes Mädchen begegnet: Lettie Hempstock. Der Mann hat seit Jahrzehnten nicht mehr an sie gedacht. Doch nun, als er an dem Teich sitzt, der angeblich ein Ozean sein soll, kehren die Erinnerungen wieder zurück. Erinnerungen an eine Welt, in der Menschen nichts zu suchen haben. Und in der etwas Böses lauert, das seine Finger nach ihm ausstreckt ...

Ausgezeichnet mit dem LOCUS AWARD und BRITISH NATIONAL BOOK AWARD als bester Roman des Jahres


"Ich habe dieses Jahr nichts mit größerer Begeisterung gelesen!" (DANIEL KEHLMANN)

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