Rezension: "Wir sind fünf“ von Matias Faldbakken

Tja, wenn man als arrivierter Leser und Kritiker glaubt, bereits jede erdenkliche Ecke, jede noch so winzige Genrenische durchforstet und erlebt zu haben, kommt - wider Erwarten -    dieser dänische Faldbakken und krempelt den ganzen Literaturzirkus gewaltig um. Wie er das macht? Wahrscheinlich mit viel Leidenschaft, Talent, Mut, einem starken Hang zur Dramatik und mit einer kräftigen Portion Selbstsicherheit, aber bis in den entlegensten Winkel lässt sich dieses „Phänomen Faldbakken“ - von meiner Warte aus - nicht erkunden. Es könnte aber auch an der Art und Weise liegen, wie er Charaktere definiert, wie er sie zeichnet, was er ihnen an emotionalen Ballast zumutet, bzw. wie er sie letztendlich in der Handlung platziert und positioniert.


Karten auf den Tisch: Ich war bereits nach Beenden seines ersten Romans - „The Hills“ - völlig begeistert, aber: DAMN! Was war das denn für ein abstruser Ritt? Eine abgerissene Kombination aus King und Goethe? Friedhof der Kuscheltiere und Faust? Sry, ich kann‘s schlichtweg nicht erklären.


Zwei Dinge sind jedoch unbestreitbar:

1.

„Faldbakken schreibt mit dem Hammer, und seine Schläge werden immer härter.“ (Dusken)


Ohja!!! Das tut er! Und zwar mit dem dicken, fetten Vorschlaghammer,...der dich einmal direkt an der Schläfe trifft und sich hinterher deine emotional angeschlagene Magengrube vornimmt!

2.

Seine prosaischen Texte bewegen sich irgendwo zwischen ausschweifender Fabulierkunst und verknappter Lakonie. Sie sind derart unkonventionell, dass sie sich zwar klar vom Massengeschäft distanzieren, im Umkehrschluss aber auch eine breite Lesermasse anvisieren.

Aber jetzt lasst uns doch mal die Materie durchleuchten: Was macht die Handlung? Wie steht es um die Charaktere? Genrezuordnung?Poesie? Tiefgang? Was ist mit der Balance zwischen aufpoliertem Text, und lakonisch-dreckiger Prosa? Egal. Fakt ist: Wer lediglich an der Oberflächer kratzt/treibt, der wird die tiefliegende Ebene niemals erreichen.

Riskiert man jedoch einen Blick und lässt den „faustischen“ Fokus auf den Lehmbaukasten etwas links liegen, so wird man mit einem bedachten, langsam fortschreitenden, wunderbar in Szene gesetzten Kampf belohnt, der sich gegen die Vergangenheit des Protagonisten stellt, dessen Unzulänglichkeit angreift (in vielerlei Hinsicht) und sich zuoberst gegen den Lauf des Lebens stellt. Denn Faldbakken hat eine Sache ganz genau verstanden: Er weiß, wie er die Leserschaft manipulieren muss, wie er sie mit positiven Erinnerungen füttern und mit tragischen Schicksalsschlägen bestrafen kann, ohne aber, dass es ihm in irgendeiner Form übel genommen wird, UND:


In diesem Sinne: „Vi er fem“, was soviel heißt wie: Zieht euch diesen geilen Stoff rein! 🤪


Inhaltsangabe:


In der Nähe von Oslo in einem kleinen Ort namens Råset führt Tormod Blystad mit seiner Frau und seinen zwei Kindern ein beschauliches Leben. Nach einer wilden Jugend ist aus Tormod ein verlässlicher Vater und Ehemann geworden. Aber in jeder Familie gibt es eine Lücke, die gefüllt werden muss. So kommt die kleine Hündin Snusken auf den Hof. Die Kinder lieben das Tier sehr, doch eines Tages verschwindet Snusken spurlos. Um seine Kinder zu trösten, mischt Tormod in seiner Werkstatt aus verschiedenen Zutaten ein Ersatzwesen aus Lehm – und fordert damit Kräfte heraus, deren Reichweite er nicht einmal erahnen kann. 


Pressestimmen:


»Scharf und humoristisch erzählt. Matias Faldbakken ist ein Autor mit einer stählernen Kontrolle über die Sprache.« (Dagsavisen)


»Matias Faldbakken ist ein Meister des langsamen Spannungsaufbaus. So gut, dass es schon fast wehtut.« (NRK)


»Der beste norwegische Roman des Jahres. Eine mit Sprachgewalt vorgetragene Geschichte, die einfach erscheinen mag, aber eine enorme sozialkritische und poetische Wucht entwickelt.« (Dag og tid)


»Eine amüsante, scharfsinnige und zeitgemäße Fabel vom Drang des Menschen, über sich hinauszuwachsen, die nicht von ungefähr an ›Faust‹ oder die Geschichte von Dädalus und Ikarus erinnert.« (Aftenposten)


»Ein wahrhaft einzigartiges Stück Literatur.« (Jo Nesbø)


»Ich habe nur selten ein norwegisches Buch gelesen, das mit so leichter Hand ein so großes Universum voller Komik, Ernsthaftigkeit und Abenteuer entwirft.« (Aftenposten)