Rezension: "Der Fall Alice im Wunderland“ von Guillermo Martínez

Die Geschichte und das Märchen rund um Alice im Wunderland hat mit Sicherheit schon viele Personen gleichermaßen begeistert wie inspiriert. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass diese eigenartige Fabel, jemals literarisch dazu gedient hat, einen Serienmörder auf den Pfad der Verdammnis zu führen und ihn grausam/morbide morden zu lassen. Ob dies im wahren Sinne von Lewis Carroll ist, wage ich zwar zu bezweifeln, ist mir persönlich aber auch herzlichst gleichgültig, solange im Endeffekt ein derart unterhaltsamer, prestigeträchtiger Krimi dabei herauskommt.


Guillermo Martínez wird als „einer der intelligentesten und raffiniertesten Schriftsteller seiner Generation und Zeit“ („Buenos Aires Herald), aber auch als „eine der bemerkenswertesten Stimmen Argentiniens“ („Times Literary Supplement“) gefeiert. Und das absolut zurecht, denn nicht umsonst darf er sich als stolzer Besitzer des „Planeta Preises 2003“ und des ‚Premio Nadal 2019‘ betiteln. 

Sein Hang zur Mathematik dürfte wohl DER Impulsgeber für die Erschaffung des schrulligen, zahlenaffinen Protagonisten - Arthur Seldom - sein, der mir im Jahr 2003 bereits begegnet ist. („Die Pythagoras Morde“ - 2007 als „The Oxford Murders“ mit John Hurt und Elijah Wood verfilmt; Ende Mai im Eichborn Verlag als „Die Oxford Morde“ neu erschienen.)


Zeitgleich schickt Martínez sein Ermittlerduo (Stets an der Seite von Arthur Seldom findet man seinen wissbegierigen Kumpanen/Doktoranden.) in eine neue vertrackte, rätselhafte Fallanalyse, die es mit Scharfsinn, Charme und Verve zu lösen gilt und die wahrscheinlich nicht einmal Holmes und Watson besser auf die Reihe gekriegt hätten, da viel zu vorlaut, impulsiv und exzentrisch. Egal ob man es lieber etwas lauter, britischer, attitütenhafter mag, oder eher die elitäre „Mathematik-Futzi-Nummer“ bevorzugt, ist eine Sache gewiss: Die Ausgangslage von „Der Fall Alice im Wunderland“ ist derart prekär und herausfordernd, dass der Leserschaft nichts anderes übrig bleiben wird, als wissen zu wollen, was es mit diesem ganzen „Alice-Serienkiller-Geheimbund-Mysterium“ auf sich hat. Mit anderen Worten: Diese Story hat mich - auf mehreren Ebenen - schlicht und einfach überzeugt. Doch nicht nur die Erzählung an sich weist deutliche Qualitätsmerkmale auf, auch die Figuren wissen in altbekannter Manier zu gefallen.(Man bedenke, dass der erste Band bereits 17 Jahre zurückliegt!) Sie wurden von Martínez hervorragend adaptiert, modernisiert, und mit etwas Feinschliff zu glänzenden, stattlichen Charakteren entwickelt. Abgerundet wird das Ganze durch eine schöne, klare, etwas plastische Sprache, die dem Kriminalroman angemessen zu sein scheint, aber sich fernab der klischeehaften Strukturen bewegt. Krimi eben, aber anders.


Von meiner Seite gibt es eine ganz, ganz klare Empfehlung!


Inhaltsangabe:


Die ehrwürdige Oxforder Lewis-Carroll-Bruderschaft ist einer Sensation auf der Spur: Aus dem Tagebuch des weltberühmten Schöpfers von Alice im Wunderland ist eine bis dato verschollene Seite aufgetaucht, die Brisantes offenbart. Doch bevor die Bruderschaft den Fund veröffentlichen kann, geschehen mehrere Morde, die durch das literarische Universum von Lewis Carroll inspiriert zu sein scheinen. Auch in ihrem zweiten Fall müssen Logik-Professor Arthur Seldom und sein junger argentinischer Mathematik-Doktorand scharf kombinieren, um den rätselhaften Fall zu lösen.

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