Rezension: "Die Harpyie“ von Megan Hunter

Die heutige Buchbesprechung möchte ich mit einem kurzen Zitat, mit einer wärmsten Empfehlung von - der meinerseits hochgeschätzten - Kristen Roupenian (Autorin von „Cat Person“) beginnen, die ich auf dem Buchrücken von Megan Hunters hochgelobten Roman „Die Harpyie“ gefunden habe:


"𝐷𝑖𝑒 𝐻𝑎𝑟𝑝𝑦𝑖𝑒 𝑖𝑠𝑡 𝑒𝑖𝑛 𝑛𝑎ℎ𝑒𝑧𝑢 𝑝𝑒𝑟𝑓𝑒𝑘𝑡𝑒𝑠 𝐵𝑢𝑐ℎ."


Vorweg: Eine Lektüre - ganz egal um welchen Titel es sich handelt - in den Himmel zu loben, sie als ‚absolut’ zu definieren und ihr den Perfektionsstempel aufzudrücken, ist ein sehr mutiges, durchaus hochgegriffenes Unterfangen, das eine - immer wieder in Erscheinung tretende - Konsequenz zur Folge hat: Die Erwartungshaltung steigt ins Unermessliche. Demnach, selbstverständlich völlig wertfrei betrachtet, ist das Buch zum Scheitern verurteilt, sollte es auch nur einen einzigen Millimeter von der Vollkommenheit abweichen.


Um das Zitat nochmal aufzugreifen: Die Betonung liegt hierbei auf „nahezu“. Warum?

Megan Hunter hat einen Plot entworfen, der einfach alles bietet: Eine aufwühlende, - im weiteren Sinne - gewalttätige Geschichte, die sich irgendwo zwischen melodramatischem Ehedrama und psychologischem Verxierspiel mit dem eigenen Kontrollverlust einpendelt. Zudem handelt die Erzählung von dem strikten Glauben an die eigene Unfehlbarkeit, von der kraterartigen Kluft zwischen Vertrauen und Misstrauen, von der etwas eigenwilligen Abhandlung sämtlicher Eifersuchtsprobleme, und - nicht zuletzt - dem völlig unkonventionellen, verwerflichen Umgang mit Wut, Trauer und der stets mitschwingenden Verletzbarkeit. Außerdem darf man zwei völlig intuitiv handelnde Protagonisten begleiten, die weder sich selbst, noch den Gegenüber verstehen, respektieren oder gar - und darum geht es schlussendlich - lieben.

Der explosive Cocktail den Megan Hunter angerichtet hat scheint perfekt zu sein, wäre da nicht die sprachliche Ausführung, die mir persönlich überhaupt nicht zugesagt hat. Für meinen Geschmack ist Hunters Schreibe etwas zu gekünstelt und viel zu theatralisch dargestellt, hinsichtlich des wesentlich kompakteren, emotionaleren Grundthemas. Auch in Sachen Wortwahl, bzw. Satzbildung lässt sich meinerseits feststellen, dass der bekanntliche Funke einfach nicht überspringen wollte. Möglicherweise tue ich der Autorin jetzt unrecht, aber die Ausdrucksweise passt irgendwie nicht zum Geschehen.


Fazit: 


Die Harpyie, ein kräftiger, stark gebauter Greifvogel, der seine Beute mit eisiger Präzision erlegt. Ebenso (zu)treffend - in Bezug auf die Protagonistin von Megan Hunter - ist der Vergleich mit der in der griechischen Mythologie auftauchende Chimäre, die sich in einer Kombination aus Vogelgestalt und Frauenkopf manifestiert.


Doch nicht nur die Harpyie per se ist ein explosives Geschöpf, das gefährlich, angsteinflößend und geheimnisumwittert daherkommt, auch die Story von Megan Hunter darf man als durchschlagskräftigen Text bezeichnen, der inhaltlich absolut zu überzeugen weiß. Ihr ahnt es bereits. Dieser Satz verlangt nach einem ABER: Wie bereits oben erwähnt, finde ich die Mischung aus Lakonie und gekünstelter Poesie, sowie die recht simpel gehaltene Schreibweise wenig bis gar nicht ansprechend und vor allem der Trivialität der Thematik gegenüber etwas protzig. Das hätte man durchaus charmanter lösen können.


Inhaltsangabe:


Als Lucy erfährt, dass ihr Ehemann Jake sie betrügt, soll eine verhängnisvolle Abmachung die Ehe retten: Drei Mal darf Lucy Jake bestrafen. Wann und auf welche Weise, entscheidet sie. Ein gefährliches Spiel zwischen Rache und Vergebung entbrennt – und schließlich erwacht eine Seite in Lucy, die schon immer tief in ihr geschlummert hat. 


Das Ehepaar Stevenson lebt mit seinen beiden Söhnen am Rande einer wohlhabenden Kleinstadt in England. Während Jake täglich zur Universität pendelt, arbeitet Lucy von zu Hause aus und kümmert sich um die Kinder. Doch eines Nachmittags zerstört ein Anruf die Familienidylle: David Holmes möchte Lucy wissen lassen, dass Jake eine Affäre mit dessen Frau hat. Der Pakt, den das Paar daraufhin schließt, bleibt nicht ohne Folgen. Lucys Körper und Geist beginnen sich allmählich zu verändern, die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen – eine Verwandlung, die sich nicht mehr aufhalten lässt … Bildreich und sprachmächtig, mit humorvoll-sarkastischem Unterton, erzählt Megan Hunter ein dunkles Märchen über Liebe und Verrat, Mutterschaft und Frausein, Wut und Befreiung und einer Metamorphose, aus der es kein Zurück mehr gibt. Ein Roman von archaisch-mythologischer Kraft und zugleich gegenwärtiger gesellschaftlicher Relevanz.


Pressestimmen:


"Man fühlt sich wie in einem Krimi und wird doch nur Zeuge einer Ehe. Aber ist das nicht bisweilen dasselbe, wenn Betrug und Verhängnis ins Spiel kommen? Megan Hunter spielt virtuos mit beidem.“ (WELT am Sonntag, Barbara Weitzel)


"Ein Großteil dessen, was Megan Hunters Schreiben auszeichnet, ist ihr untrüglicher Sinn für die ganz neuartige, aber doch immer zugängliche Beschreibung von Gefühlen… dies ist die fesselnde und psychologisch raffinierte Geschichte einer Beziehung im freien Fall." 

(Scotland on Sunday UK) 


"Was ‚Die Harpyie‘ uns bietet, ist die wunderschöne und poetische Geschichte einer Ehe und zugleich eine einfühlsame Charakterstudie… eine Innenschau in einer wunderbaren Prosa… und wenn sie beginnt, einem dunklen Märchen zu ähneln, breitet ‚Die Harpyie‘ ihre Schwingen aus." (NPR)


"Hunter schreibt gleichzeitig intuitiv und prägnant über ihre wahren Themen: über das tabuisierte weibliche Begehren und weibliche Wut; über den Selbstverlust, der mit Mutterschaft einhergeht; über die Gewalt, die weibliche Körper durch das Gebären, aber auch durch Männer erleiden… Die Spannung steigt an bis zu einem halluzinatorischen Schluss, der diesen erschütternden, an die Gegenwart angepassten, modernen Mythos deutlich von der Masse zeitgenössischer Ehe-Noirs abhebt." (Daily Mail)


"Ähnlich wie in ihrem Debüt schreibt Hunter eindrucksvoll und nuanciert über die Unwägbarkeiten der Mutterschaft… dieser leicht surreale, sezierende Roman legt die Plackerei typischer Vorstadtehen bloß und widmet sich den überkommenen Geschlechterrollen." (Irish Times)


"Ein starker Roman über Liebe und Aufopferung. Ich habe ihn wahnsinnig geliebt." 

(Luiza Sauma, Autorin von "Luana")


"Ein wirklich packendes Buch wie ein langer, schöner Schrei." (Evie Wyld, Autorin von "All The Birds, Singing")


"Brillant. Eine zutiefst erschütternde, großartige Lektüre." (Daisy Johnson, Autorin von "Untertauchen")

Kommentar schreiben

Kommentare: 0