Rezension: "Sommer bei Nacht“ von Jan Costin Wagner

Über das Sensationstalent Jan Costin Wagner wurde im Vorfeld ja schon so einiges gesprochen: Er wird in der Szene als „begnadeter Krimipoet“ gehandelt, seine prägnanten Zitate zieren die Buchcover der anderen und er zieht natürlich auch die Gunst der „Neider“ seiner Autorenkollegen auf sich. Im besten Sinne versteht sich. Bei diesem Standing ist es kaum verwunderlich, dass sämtliche Pressestellen, ein Großteil des Kollegiums, sowie seine Vielzahl der Leserschaft heillos begeistert zu sein scheint.


Um den selbst auferlegten Druck zu entkräftigen, möchte ich meine Besprechung gleich mal mit einer Beichte eröffnen: Ich habe noch keinen einzigen Titel von Jan Costin Wagner gelesen. Daher gilt: Meine Wenigkeit ist völlig unvoreingenommen und kann daher recht unbefangen in dieses Rezension starten.


Wo fange ich am besten an?


Eines kann ich vorweg schon mal bedingungslos unterschreiben: Jan Costin Wagner ist wirklich ein begnadeter Geschichtenerzähler, ein sehr wandelbarer Schrifsteller, der dem klischeehaften, oftmals festgefahrenen Krimiportrait entgegenwirkt. Nicht nur das: Seine Erzählung „Sommer bei Nacht“ hat tatsächliche - in seiner sprachlichen Ausführung - einen poetischen, introspektiven Touch. Hier hat man es nicht mit einen lieblosen, standardisierten Kriminalroman zu tun, der zur Gänze dem altbekannten „Schema F“ entspricht, dafür ist der Text viel zu speziell, zu gut konzipiert, viel zu kraftvoll, zu energisch. Zugegeben, die Grundhandlung haut einen - in Sachen Kreativität und Einfallsreichtum - jetzt nicht gleich von den Socken, aber das muss sie auch nicht, denn der Text per se ist äußerst eigenwillig, authentisch und - für das Genre relativ untypisch - emotional. All diese genannten Faktoren geben der recht „harmlosen“ Ausgangslage den notwendigen, entscheidenden Drive, um aus einem Krimiplot, ein poetisches Drama entstehen zu lassen. Doch trotz Eigenwilligkeit folgt die Erzählung dennoch einem bekannten Krimimuster: Ein entführter Junge, eine verzweifelte Familie, zwei klischeehafte Ermittler, ein Täter, der nicht gefunden werden will. Die Geschichte folgt diesem Leitfaden bis zur 59sten Seite, dann schlägt Jan Costin Wagner DEN brutalen, unerwarteten, alles entscheidenden Haken, der den Lauf der Dinge vollkommen verändert! 


Fazit:


„Sommer bei Nacht“ ist in seiner Eigenkomposition schlichtweg hervorragend, ja geradezu einzigartig. Warum? Ganz einfach: Jan Costin Wagner hat eine stark ausbalancierte, ausgewogenen Geschichte entworfen, eine Kombination aus Kriminalroman, Drama und leichtem Poetry-Slam ins Leben gerufen, die - vor allem - durch  lakonische, zurückhaltende, bedachte Stilelemente glänzt.

Doch hat man sich erst einmal auf diese Art der Erzählstruktur eingelassen, sie eingehend betrachtet, tiefer gegraben und die darunter liegende Ebene freigelegt, so wird man die grausame Brutalität der Handlung nicht nur begreifen, sondern ebenso mit voller Wucht zu spüren bekommen,...wie ein kraftvoller Hieb mit dem Vorschlaghammer.


ABER ein kleiner Kritikpunkt darf an dieser Stelle angebracht sein: Ich hätte mir - speziell bei den prosaischen Elementen - mehr Bezug zueinander gewünscht. Diese wirken oftmals recht schroff gesetzt, sehr sprunghaft aneinenader gereiht, beinahe aus dem eigentlichen Kontext gerissen. Das ist mit Sicherheit bewusst so enstanden, hemmt den Lesefluss dann doch ein klein wenig.


Zugegeben: Diese Zusammensetzung ist mir in DER speziellen Form - bis dato - noch nicht untergekommen!


In diesem Sinne: Daumen hoch! Kaufempfehlung!


Inhaltsangabe:


Ein Kind verschwindet. Dabei hat seine Mutter den Jungen nur für wenige Momente aus den Augen gelassen. Die Ermittlungen beginnen und schnell stößt die Polizei auf Verbindungen zu einem weiteren vermissten Jungen. Zum Auftakt seiner neuen Reihe erzählt Krimipreisträger Jan Costin Wagner eine spannungsgeladene Geschichte auf einmalig einfühlsame und literarisch meisterhafte Weise. Die Ermittler Ben Neven und Christian Sandner machen sich auf die Suche nach dem fünfjährigen Jannis. Zeugen erinnern sich, dass ein Mann mit einem Teddybär auf dem Arm das Kind während des Flohmarkts in der Grundschule angesprochen hat. Schnell wird Ben und Christian klar, dass sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten. Und nicht nur das: es scheint einen direkten Zusammenhang mit der nie aufgeklärten Entführung eines weiteren Kindes in Österreich zu geben. Die beiden Polizisten stoßen auf finstere Abgründe. Jan Costin Wagner verarbeitet in diesem ersten Band einer neuen Reihe gleich mehrere brisante gegenwärtige Themen und rührt dabei tief an in uns allen schlummernden Ängste. Doch das Wagnis gelingt – weil Wagner den Spagat zwischen Empathie und Zurückhaltung beherrscht und literarische Kriminalromane schreibt wie kaum jemand sonst.


Pressestimmen:


"Jan Costin Wagner schreibt psychologische Romane, die auch noch spannende Krimis sind. Kein deutscher Autor kann das so gut wie er. Beneidenswert." (Matthias Brandt zu "Sommer bei Nacht")


"Jan Costin Wagner schreibt Bücher nach meinem Geschmack. Ich bewundere schon lange, wie mühelos er es schafft, mich immer wieder in seine Geschichten hineinzuziehen. Seine Romane leben von den Figuren, die sich in einer melancholischen Grundhaltung gegen das Schicksal behaupten. Ich mag alle seine Bücher." (Bjarne Mädel)


Ein Krimi mit psychologischem Tiefgang, komplexen Figuren und echter Spannung. Wer einen deutschen Kriminalroman voller Gänsehautmomente sucht, ist hier richtig. (RTL Published On: 2020-02-02)


Die Reihe um Kimmo Joentaa hat Wagner vorerst beendet - um mit seinem neuen Roman ein differenziertes Psychogramm zu zeichnen, das die Literatur bislang schuldig geblieben ist. (Carsten Schrader, Kulturnews Published On: 2020-02-01)

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