Rezension: "Die Frau in der Themse“ von Steven Price

Wenn ich an den erst kürzlich im Diogenes Verlag veröffentlichten Titel von Steven Price - „Die Frau in der Themse“ denke, fallen mir ad hoc fünf rhetorische Fragen ein:

 

1. Was ist das für ein fetter Wälzer? (Klar, es gibt Autoren die noch gewaltiger auftreten, aber im Krimigenre ist diese hohe Seitenanzahl doch eher selten anzutreffen.)

 

2. Wie hat es Steven Price nur geschafft, aus dieser relativ überschaubaren Grundhandlung, ein annehmbares, bodenständiges, und vor allem unterhaltsames Konzept zu entwickeln?

 

3. Wie hat er es nur fertig gebracht, Charaktere zu zeichnen, die sich so lebensecht, so zugänglich, beinahe real anfühlen?

 

4. Welch intensive Recherchephase muss Price hier durchlebt haben, um die damalige Zeit so gefühlvoll und authentisch einfangen zu können?

 

5. Gibt es ein Genre, mit dem Price eigentlich nicht umgehen kann? (Die Antwort lautet vermutlich ‚NEIN‘.)

 

Um es auf den Punkt zu bringen: Steven Price hat mich zu 100% überzeugt: Die Aufbereitung seines Titels ist hervorragend konzipiert, seine Geschichte fühlt sich durch die Darbietung seines enorm authentischen Settings, kraftvoll und lebendig an, die sprachliche Komponente wirkt ausgereift, ambitioniert, überlegt. Seine Charaktere sind allesamt im großen Stil gezeichnet, realistisch, nicht überpowert, nicht kitschig. Sie wurden zudem von Price mit einer kräftigen Portion Intelligenz ausgestattet, die viel Interpretationsspielraum bietet und ein befremdliches, unbequemes Korsett vollkommen überflüssig macht.

Die hinter der Maskerade der Figuren versteckte Selbstironie, der attitüdenhafte Charme, und der scharfsinnige, vorlaute Auftritt des Protagonisten (à la Sherlock Holmes), sind alles Merkmale eines höchst akribischen Vorgehens, die Charakterzeichnung betreffend. Anzüglich. Provokant. Absolut unverkennbar!

 

Und neben all den hervorragenden Bausteinen, die sich innerhalb des Kontextes wiederfinden, gibt es auch noch den Faktor Seitenanzahl, der im ersten Moment Entsetzen, oder gar Abschreckung bereithält. Keine Sorge: Price hat den Text nicht nur mutwillig in die Länge gezogen, ihn ausgeschlachtet, sondern behutsam aufgebaut und stilvoll zu Papier gebracht.

 

„Eine aufregende Lektüre. Herrlich gefühlvoll. Kein Wort zu viel.“ (Cosmopolitan)

 

Fazit:

 

Coups an jeder Ecke, hochklassige Dialoge, verbale Duelle, Charme, Eleganz, Vornehmheit, provozierendes Ermitteln, entgegen jeder Vernunft, ein viktorianisches Setting, übersät mit „Gauner“, die sich als Selbstjustiz-Helden darbieten; Nachttöpfe an Bettenden, Revolver unter Kopfkissen, finstere Gassen, Leichen in Straßengräben, Morde in der Dämmerung.

 

DAS ist die Welt von Steven Price!

 

Es lässt sich in Bezug auf „Die Frau in der Themse“ sagen: Seine Story ist höchst unterhaltsam, die Handlung eindringlich, sein schriftstellerisches Temperament unnachahmlich,...die Ausführung detailreich, zielführend, außerordentlich wirksam, kurz: Price verhält sich wachsam und ist stets ‚on point‘. Er ist verspielt, detailverliebt, aber dennoch so minimalistisch veranlagt, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, die Dialoge von der Erzählung abzugrenzen. (Keine Anführungszeichen, keine klare/visuelle Trennung.) Er lässt das gesprochene Wort im Raum stehen und schafft somit einen - auf den ersten Blick - etwas konfusen, aber dennoch unkonventionellen Zugang. Sprache hat eben viele Gesichter.

Im Hinblick auf die atmosphärische Komponente, entwickelt er ein ähnliches Setting wie in „From Hell“, oder „The Alienist“, mit einer hinterlistigen Femme Fatale à la Carmen Sandiego.

 

Die logische Schlussfolgerung, bzw. die Quintessenz der lobenden Worte lautet: Steven Price hat mich vollends überzeugt! Ganz klare Empfehlung!

 

Inhaltsangabe:

 

Charlotte Reckitt ist schön, stolz und gesetzlos. Ihre Coups sind phänomenal, ihre Erfolge beachtlich. Und sie ist eine Schlüsselfigur im Leben zweier Männer: William Pinkerton, berühmt-berüchtigter Detektiv, und Adam Foole, Gentleman-Dieb mit Witz und Chuzpe. Für den einen war sie einst die Erfüllung all seiner Träume, für den anderen ist sie die letzte Spur einer lebenslangen Besessenheit. Eine atemlose Jagd beginnt.

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