Rezension: "Das Geheimnis von Shadowbrook“ von Susan Fletcher

Viele Autoren stehen vor der - stets präsenten - Problematik, (Haupt-)Figuren entwerfen zu müssen, die eigenständig auftreten, sich authentisch anfühlen, die einzigartig sind, Ecken und Kanten besitzen, die bereit sind, ihre besonderen Merkmale nach außen zu kehren, mit dem Leser sympathisieren und ihn ab der ersten Seite mit Interesse überschütten. Dabei wird oft die essentielleste und naheliegendste Komponenten in der Darstellung völlig vergessen: Dem Charakter eine (Vor-)Geschichte zu geben, ihn anzukündigen, vorzustellen, ihn rechtzufertigen, das Verständnis beim Leser abzuholen und aufzuzeigen, dass viel mehr Komplexität in der Entwicklung steckt. Dadurch entschärft man in erster Linie die Gefahr, dass ein Titel einzig und allein auf den Inhalt reduziert wird; gelingt es dem Autor nicht, die Handlungsstränge konstant unterhaltsam zu gestalten, wird es zunehmend schwieriger, das Ruder noch herumzureißen.

Aber nicht nur das: Die Hauptfigur stellt (immer) den zentralen Punkt einer Geschichte dar, egal ob der Text ‚standalone‘ funktioniert oder nicht. Daher gilt: Ist die Charakterentwicklung schwach ausgeprägt, sind die Aktionen und Vorgehensweisen des Protagonisten unglaubwürdig oder gar unlogisch, fällt dies negativ auf die Erzählung zurück.

 

Doch Susan Fletcher hat hier ALLES richtig gemacht. Die Hauptfigur ist wundervoll konzipiert, die Grundlage zur Handlung bietet hervorragenden Lesestoff, die Erzählung lebt von der Atmosphäre der umliegenden Komponenten und strotzt vor Liebe zum Detail. Die Autorin packt nicht nur klobige (Satz-) Bausteine aufeinander und schmückt diese mit affektierten Elementen aus, sie arrangiert diese subtile, unterschwellige „Geister-Story“ mit viel Herz und Leidenschaft, bietet dem Leser jede Menge Background, konstuiert die Handlungselemente bodenständig, nachvollziehbar und sprachlich versiert.

 

Aber nicht nur der Stil der Autorin wirkt ambitioniert, einprägsam und ist beeindruckend, auch die Tatsache, dass Sie - der Zeit angemessene - wichtige feministische Thematiken (Wahlrecht, gesellschaftlicher Stand, veraltetes, unmoralisches Frauenbild,...) aufgreift, verarbeitet, augenöffnend veranschaulicht und demonstrativ in Szene setzt, sowie auf die damals herrschenden Missstände hinweist, zeugt von immenser Qualität.

 

Daher lässt sich sagen: Wer die Oberfläche einer soliden „Haunted House Geschichte“ erst einmal abgekratzt hat, wird schnell merken, dass man es - im eigentlichen Sinne - mit einer dramatischen Revolutions- und Familiengeschichte zu tun hat, die nur eines versucht: Sich aus den Zwängen einer gesellschaftlichen Hierarchie zu befreien.

 

Ein wirklich großartiges Buch!

 

Inhaltsangabe:

 

Im Sommer 1914 wird die junge Botanikerin Clara Waterfield von London nach  Gloucestershire gerufen: Sie soll auf einem Landsitz namens Shadowbrook den Aufbau eines Gewächshauses mit exotischen Pflanzen aus den Kew Gardens betreuen. Der Garten, in dem das Gewächshaus stehen soll, ist überwältigend, üppige Hortensien, Fingerhut und Rosen drängen sich um gepflegte Rasenflächen, auf den Teichen schwimmen Seerosen, alles scheint vor Leben geradezu zu sprühen. Doch das alte, mit Glyzinien bewachsene Wohnhaus wirkt seltsam abweisend, die meisten Räume stehen leer oder sind verschlossen, der Eigentümer Mr. Fox ist viel auf Reisen. Haushälterin und Dienstmädchen wirken verängstigt – denn nachts scheint es im Haus zu spuken. Doch Clara ist unerschrocken und glaubt nicht an Geister, und so macht sie sich daran, die Geheimnisse des Hauses zu ergründen. Und während sie sich immer tiefer in die Geschichte Shadowbrooks verstrickt, muss sie feststellen, dass dort nichts so ist, wie es scheint...

 

»So fesselnd wie Daphne du Maurier … ein wahrer Pageturner.« (IMAGE MAGAZINE)

 

»Magisch und tief bewegend.« (Daily Mail)

 

»›Das Geheimnis von Shadowbrook‹ kommt als Geistergeschichte daher und erzählt doch etwas wesentlich Profunderes: nämlich davon, wie Frauen sich ein Leben aus einer männlich dominierten Gesellschaft heraus meißeln, während auch noch ein Krieg aufzieht, der das Leben aller verändern wird. Dieser Roman hat mich überrascht und tief bewegt.« (Tracy Chevalier, 12.05.2019)

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