Rezension: "Atme!“ von Judith Merchant

Dreiecksbeziehungen sind Loyalitätskiller, lassen Eifersucht aufkeimen, bringen die grundlegenden Wertvorstellungen einer Partnerschaft ins Wanken, und vor allem Lügen, können in dieser Konstellation fatale Folgen nach sich ziehen. Judith Merchant hat die heikle Brisanz dieser Sachlage verstanden und diese in einen verdammt spannenden, authentischen Thriller umgebaut. Authentisch deshalb, weil Merchant ihren ganz, ganz, ganz eignene Stil zu pflegen scheint. Kurze, knappe, auf das Wesentliche reduzierte Satzbauten, lakonische Ausführungen, Dreiwortsätze, Wiederholungen.


Jetzt mal ehrlich: Judith Merchant hat mit diesem Titel das Thrillergenre vollkommen neu definiert. Nicht inhaltlich. Sondern stilistisch.

Das Storytelling, das die bereits zweifache Glauser-Preisträgerin (Beste Krimi-Kurzgeschichte) hier produziert hat, hebt sich derart markant und klar vom Massengeschäft ab, dass man an dieser Stelle eine Gratulation aussprechen darf.

Diese Eigenständigkeit der Ausführung hilft nicht nur dem Genre, auch zuküftig attraktiv und interessant zu bleiben, sondern lässt auch den Leser in neuen, innovativen Bahnen denken. Am Ende sollte jedenfalls klar sein:

Ein Thriller darf auch anspruchsvoll sein. Er darf eigene Wege gehen, darf selbst entscheiden, was genau er sein möchte. Er muss keinen Stereotyp verkörpern, muss nicht in eine vorgefertigte Klischee-Schublade passen, muss keine lästigen Cliffhanger beherbergen, kurz: Es muss nicht ständig das abgedroschene, immergleiche Prozedere herrschen. Doch dann kommt Judith Merchant und schiebt dem Schema-F einen eisernen Riegel vor, jenen, den Bernhard Aichner (als einer der ganz wenigen Autoren) bereits umgelegt hat.


Um es kurz zu machen: „Atme“ ist - für mich persönlich - das ambitionierteste und wohl eigenwilligste Thriller-Debüt in diesem Jahr! Judith Merchant lässt ihren Mut durchscheinen, schlägt einen völlig unkonventionellen Weg ein, frei von Normen, frei von genretypischen Vorgaben, und begeistert mit einem stilistisch sicheren Auftritt, einer Andersartigkeit, die man in der Szene kaum zu Gesicht bekommt.


Inhaltsangabe:


Du traust mir. Sie traut dir. Ich traue niemandem.


Nile hat endlich ihre große Liebe gefunden: Ben. Doch plötzlich verschwindet Ben spurlos. Und niemand will Nile bei der Suche helfen. Bis auf eine – seine Frau. Ihre ärgste Feindin. Judith Merchant inszeniert in diesem hochkarätigen Thriller ein so packendes wie raffiniertes psychologisches Vexierspiel voller doppelter Böden und verblüffender Wendungen.

Eben noch war Ben in der Boutique, in der Nile ein Kleid anprobierte, doch als sie aus der Umkleidekabine kommt, ist er verschwunden. Nile ist sich sicher: Es muss etwas Schreckliches passiert sein. Aber niemand will ihr glauben. Noch nicht mal seine engsten Freunde, die Nile sowieso für zu anhänglich halten. Also muss sie ausgerechnet ihre größte Feindin um Hilfe bitten: Flo, die Frau, mit der Ben noch verheiratet ist. Zu Niles Erstaunen ist diese sehr kooperativ. Doch dann entdecken die beiden Frauen immer mehr Ungereimtheiten in Bens Leben. Und die gemeinsam begonnene Suche entwickelt sich zu einer atemlosen Jagd, denn Nile realisiert: In diesem perfiden Spiel kann sie niemandem trauen. Schon gar nicht Flo.

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