Rezension: "Die kleine Hand“ von Susan Hill

Zuallererst, bevor wir in die Materie dieses Titels einsteigen, ist es mir ein wahnsinnig großes Anliegen, Susan Hill auf ein erhabenes Podest zu stellen: Für mich, ist sie das wohl Wichtigste Exportgut Großbritanniens, vor allem ihre Genre-Zunft betreffend.

Ihre Romane drohen stets vor (inhaltlicher & sprachlicher) Genialität und atmosphärischer Detailverliebtheit überzulaufen, sie schafft es, trotz kompakter Erzählweise, unfassbar viel Tiefe entstehen zu lassen und hat die Charakterisierung ihrer Figuren derart sauber im Griff, dass ich nicht umhinkomme, pure Bewunderungen für diese Frau aufzubringen. Nicht zu vergessen, dass sie - meiner Meinung nach -, die einzig wahre (lebende) Autorin im Business ist, die den klassischen Schauerroman mit all seinen Rafinessen PERFEKT beherrscht und gleichzeitig als Modell, als Paradebeispiel für so viele Kolleginnen und Kollegen im Schriftstellerei-Zirkus fungieren darf. Soll heißen: Um Qualitatives selbiger Art erleben zu dürfen, muss man in der Zeit weit zurückreisen und die klassische Nadel im Heuhaufen suchen. (Denke da an Daphne du Maurier oder Shirley Jackson)


Im Morast meiner längst vergangenen Buchbesprechungen habe ich zu Susan Hills „Das Gemälde“, folgendes Statement ausgegraben:


„Mit 'Das Gemälde' ist Susan Hill DER Schauerroman per excellence gelungen. Ohne die Intelligenz zu beleidigen, nimmt sie den Leser auf einen durch und durch unheimlichen Kurztrip mit, der zwar leider schon nach knapp 150 Seiten sein Ende findet, bis dorthin aber stiltechnisch, sprachlich, sowie inhaltlich voll abliefert! Wir lieben dieses kleine Meisterwerk und empfehlen euch dieses gute Stück uneingeschränkt weiter!“


Um die Bombe gleich vorweg zu entschärfen:


Auch in diesem zarten, rücksichtsvollen, kurz gehaltenen Roman - „Die kleine Hand“ - hat sie ihr ganzes Können mobilisiert, alles auf die Karte der Atmosphäre gesetzt und ihre Leidenschaft zum Übernatürlichen in bester Form ausgelebt/transportiert!

Hier sitz jeder Satz am richtigen Platz, die Dialoge sind sauber geführt, das Setting umschmeichelt die Erzählung gekonnt,...alles so, wie es meiner Meinung nach sein sollte!

Und nein, an dieser Stelle kommt jetzt kein „aber“, denn das hat sich Susan Hill schlichtweg nicht verdient.

Stattdessen möchte ich noch hinzufügen, dass sie außerdem die höchst seltene Gabe besitzt, ihre Geschichten im Kopf der Leser derart langfristig zu platzieren, dass auch nach der allerletzen Seite, das Gelesene weiterlebt, wurzeln schlägt, sich hartnäckig festsetzt und nicht so einfach aus dem Hirn zu entfernen ist.

Doch so eingehend und energisch sich die Erzählung auch anfühlen mag, so wenig hat sie schlussendlich mit dem ursprünglichen Plot  der Handlung gemeinsam. Denn: Der Haupthandlungsstrang rückt hier in eine deutlich nebensächlichere Position, während die Nebenstory (die Manuskriptsuche des Protagonisten) das Geschehen klar dominiert! Das sorgt anfangs zwar für etwas Verwirrung, kommt der Vielseitigkeit und Eigenständigkeit der Geschichte aber äußerst entgegen. Hätte Susan Hill diese kurze Ghost-Story, inhaltlich wie stilistisch, nach klassischem Schema-F abgehandelt, würde diese jetzt im Dickicht des Mainstreams verschwinden. Die Autorin hat aber weitergedacht, verhält sich schlauer als der Rest, vernichtet sämtliche Klischees, lässt Haupt- und Nebenhandlung ständig die Plätze tauschen und erachtet die Gruselfaktoren eines klassischen „Old-School-Horror-Movies“  für transportabel genug, um sie in den Hergang miteinzubinden.


Inhaltsangabe:


Es ist spät. Adam Snow, Antiquar, fährt von einem Kundenbesuch nach Hause, nimmt die falsche Abzweigung und findet sich vor einem alten verlassenen Haus wieder. Von Neugier gepackt, steigt er aus, läuft durch den verwilderten Garten, unwiderstehlich angezogen von dem seltsamen Anwesen, als plötzlich eine kleine kalte Hand nach seiner greift. Erst ist er bloß fasziniert, doch die Erinnerung an diese eigenartige Begegnung verfolgt ihn, Panikattacken suchen ihn heim, fürchterliche Albträume. Adam Snow stellt Nachforschungen an, mehr und mehr erfährt er über das verwunschene Haus. Und immer wieder fühlt er den Griff der kalten Hand, der stärker und stärker wird.


»Kein einziges Wort ist hier zu viel. Sehr zu empfehlen für einen kühlen Herbsttag, den man vor dem Kamin verbringt.« (The Spectator, London)


»Niemand sorgt für mehr Gänsehaut als Susan Hill.« (Sunday Telegraph, London)

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