Rezension: "Es muss ein Zauber sein“ von Paul Theroux

Um auf knapp 90 Buchseiten eine anmutige, ernstzunehmende, lebendige und authentische Ghost-Story entstehen lassen zu können, braucht man - in erster Linie - einen punktgenau strukturierten Plan, ein funktionierendes Konzept, Charaktere, die diesen Kurztrip mittragen, Nerven aus Drahtseile, Überwindung, jede Menge Mut, und ein extrem übersteigertes Selbstbewusstsein. Mann muss entweder vollkommen den Verstand verloren haben, der eigenen verkorksten Selbsteinschätzung unterliegen, oder schlichtweg, ein verdammt geniales Autoren-Dasein genießen, um sich an eine derart schwierige/komplizierte Erzählung heranzuwagen.

Der US-amerikanische Autor Paul Theroux (französisch-kanadisch-italienische Abstammung) hat es dennoch getan und eine Geschichte ins Leben gerufen, die vor allem zu Beginn - aufgrund der sprachlichen Ausführungen - ein klassisches „Wintermärchen“ vermuten lässt; unter der Oberfläche aber bereits ein subtiler, beinahe lautloser Haunted House-Genremix lauert. Zwar dringen diese Elemente nie bis an den Rand der Bewusstseinsebene vor, die Tatsache, dass jederzeit das Unvorhergesehene den Weg kreuzen könnte genügt vollkommen, um atmosphärische Bilder beim Leser entstehen zu lassen. Dafür sind die paar wenigen Buchseiten mehr als ausreichend.


„A Christmas Card“ (Amerikanische Originalausgabe/1978) ist nicht nur der eindrucksvolle Beweis dafür, dass diese zurückhaltende, bodenständige, verharmloste Art und Weise Geschichten zu erzählen noch immer ihre Daseinsberechtigung hat, sondern dass auch in der heutigen Zeit, Shortstories noch nicht zum Altpapier gehören. Ganz im Gegenteil: Ich - für meinen Teil - gebe nach wie vor, einer zwar unausgegorenen, aber feinfühligen Erzählung, gegenüber einem 1500-Seiten langen, vollgestopften Wälzer, gerne den Vorzug.


Nicht zu vergessen: Da wir es hier mit einem 41 Jahre(!!!) alten Titel zu tun haben, also einem absoluten Genre-Klassiker, sei ihm die überschaubare Länge, wie auch die altertümliche Sprache gerne zu verzeihen, denn eines klappt nach wie vor ganz wunderbar: Er ist auf seine eigene Art und Weise unterhaltsam, und mehr, muss ein Text dieser Rubrik, dieser speziellen Gattung nicht vorzuweisen haben.


Fazit:


Obwohl das Schriftbild von Paul Theroux - zugegebenermaßen - etwas in die Jahre gekommen ist und das Geschriebene sich ein  wenig schwerfällig anfühlt, funktioniert der Text - auf Unterhaltungsebene betrachtet -  dafür umso besser. Die Figuren haben sich in der kurzen Zeit annehmbar entwickelt, sind äußerst markant gezeichnet, willens-, sowie ausdrucksstark und passen hervorragend in das angefertigte Setting. Ich muss fairerweise sogar gestehen, dass Theroux es gelungen ist, den einen oder anderen Gänsehaut-Effekt bei mir aufkeimen zu lassen (Auf jener Distanz, ein Ding der Unmöglichkeit!), sodass ich - unterm Strich - eine überwiegend positive Bilanz ziehen kann: Der Inhalt strotzt vor Unbehagen und Merkwürdigkeiten. Die friedvollen, vorweihnachtlichen Aspekte sind zwar da, werden aber von der unheilvollen Stimmung des Gesamtbildes klar dominiert! Und obwohl sich mir der wahre Kern der Erzählung, die Moral der Geschichte, auch nach Beenden der Lektüre, nicht so wirklich offenbart hat, so bin ich dankbar dafür, diesen Text entdeckt und schlussendlich gelesen zu haben.


Daher gibt es von uns eine klare Empfehlung!


Inhaltsangabe:


Immer, wenn ich fedrig leichten Schnee langsam an einer Scheibe herunterrieseln sehe, der sich zu einem weißen Polster auf der Fensterbank türmt, und der Wind leise stöhnend durch eine Ritze in ein Zimmer drängt, wo Flammen im Kamin singen, muss ich an das Weihnachtsfest denken, an dem ich neun war, und an unser Haus in Indian Willows. Wir hatten uns verirrt.«

Marcel, Louis und ihre Eltern wollen die Festtage zum ersten Mal in ihrem Ferienhaus am See verbringen, doch sie geraten in einen Schneesturm, und der Vater verfährt sich hoffnungslos im Wald. Endlich entdecken sie ein Haus, in dem noch Licht brennt. Ein eigenwilliger, alter Mann nimmt sie auf und verspricht, ihnen am nächsten Tag den Weg zu zeigen. Doch am Morgen ist der Mann fort. Aber er hat eine Weihnachtskarte hinterlassen, die sie zu ihrem Haus führen soll. Dass es sich dabei nicht um eine gewöhnliche Karte handelt, wissen nur Marcel und Louis...


»Magisch.« (Daily Telegraph, London)

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