Rezension: "Der Fund“ von Bernhard Aichner

Alle Jahre wieder stehe ich vor der enorm schwierigen Aufgabe, die richtigen Worte zu finden, nämlich jene, die dem qualitativen Innenleben von Bernhard Aichners Werken gerecht werden.

Ganz egal wie oft ich über die Thrillerszene nachdenke, darüber schreibe, mich mit der Materie auseinandersetze, recherchiere, vergleiche, seziere,...ich komme stets zum gleichen Ergebnis: Niemand schreibt solch großartige, eigenwillige, authentische Geschichten wie Bernhard Aichner. Niemand ist derart stilsicher, reizt das Genre bis zum Äußersten, versucht sich immer wieder neu zu definieren und konzentriert sich trotz alldem auf das Wesentliche. Niemand bringt es zustande, in solch reduzierter Weise aufzutreten, den Leser auf Beziehungsebene interpretieren zu lassen und anhand weniger Worte, eine Flut an Emotionen entstehen zu lassen. Niemand misst seinen Protagonisten so viel Wert bei, gibt ihnen den notwendigen Spielraum für Entwicklungen, den Platz, sich zu positionieren und vor allem zu integrieren. Niemand beherrscht den geschriebenen Dialog/Monolog besser. Und niemand hat bislang den Kopf galanter aus der Schlinge gezogen, seinen Bestsellerstatus tapferer verteidigt, wenn es darum geht, nach dem ersten großen Erfolg nachzulegen, sich zu verbessern, sich immer wieder neu zu erfinden, nur um nicht als abgestorbene, schriftstellerische Eintagsfliege zu enden.

Das ist keine patzige Lobhudelei, sondern schlichtweg Tatsache.


Doch irgendwann gehen auch einem zähen, hartnäckigen Tiroler die zündenden Ideen aus, oder?


Absolute Fehlanzeige!


Sein aktueller „Thriller“ - ‚Der Fund‘ - sprüht nicht nur vor inhaltlichem Einfallsreichtum und weiß in altbekannter stilistischer Manier zu gefallen, es haben sich auch einige formale Zahnräder im Konstrukt verändert, weitergedreht, die dazu beitragen, das Gefühl von (im postivien Sinne) Andersartigkeit entsehen zu lassen. So tauschen Erzählform (Rita Daleks Story, vor ihrem kaltblütigen Mord) und Dialoge (Namenloser Ermittler im Vier-Augen-Gespräch mit Verdächtigen) in abwechselnder Weise die Plätze.

Aichner lässt sämtliche Nebencharaktere über den Dialog als Augenzeugen auftreten, gibt ihnen dadurch die Möglichkeit, Eigendynamik anzunehemen, platziert den eigentlichen Protagonisten völlig bewusst außerhalb der Schusslinie und versucht damit, die Story entscheidend zu verschleiern/beeinflussen. Und auch wenn Rita Dalek bereits tot ist, die Hauptfigur in Aichners Geschichte nur durch „Flashbacks“ in Erscheinung tritt, gegenwärtig kein einziges Wort spricht, sich nie mitteilt, so hat sie dennoch markantere Wesenszüge, mehr Charatkerstärke, mehr Tiefe, mehr Konturen, als so manch andere Figur.


Der Aufbau einer emotionalen Bindung, dieser aktive Austausch zwischen Leser und Protagonisten, sei es über die Erzählform, oder über den geschriebenen Dialog, ist Bernhard Aichners Steckenpferd.

Ebenso liebt er diese Duellkonstellationen, Eins gegen Eins, Face to Face, Blum gegen Egon, Ben gegen Kux, Rita gegen Bachmair, und geht in dieser Rolle, der Stärkere unterdrückt den Schwächeren, regelrecht auf. DAS sind seine großen, allesentscheidenden Stärken, die letztendlich die Spreu vom Weizen trennen!


Fazit:


Nicht jeder Thriller gibt gezwungenermaßen Rätsel auf, suggeriert dem Leser, dass der gesamte Inhalt nur von der Unvorhersehbarkeit des Endes abhängt.

Nicht jeder Thriller muss in die Klischeeschublade passen, und sich so verhalten wie es die Leserschaft von ihm erwartet. Nicht jeder Thriller muss derart banal und intelligenzbeleidigend sein, dass er sich nur in Schwarz und Weiß kategorisieren lässt. Täter. Opfer. Ende.

Sprechen wir doch mal über die Grauzone, denn Bernhard Aichners neuer Titel - „Der Fund“ - befindet sich genau in dieser Region. Er ist viel zu speziell konzipiert, viel zu emotional, viel zu intelligent, viel zu ambitioniert, die Strukturierung, den Aufbau und die Charakterisierung der Protagonisten betreffend, zu clever, um ihn als stupiden, gängigen Thriller abzustempeln und in der Gewöhnlichkeitsschublade vermodern zu lassen! Ganz im Gegenteil: Selten bekommt man im Genre derart außergewöhnlichen Stoff präsentiert. Komplex in der Denkweise, simpel in der Ausführung.


Ich kann also Bestsellerautor Sebastian Fitzek bestens verstehen und plichte vorbehaltlos bei: „Niemand schreibt wie Bernhard Aichner. Ganz toll. Unverwechselbar!“


Viele Autoren brechen ein, nach dem Debüt meist profane Leere, bleiben hinter den Erwartungen zurück. Bei Aichner läuft die ganze Sache etwas anders. Eine (Weiter-)Entwicklung ist deutlich spürbar. Die Titel werden spezieller, aber nicht plumper, strukturierter, aber nicht harmloser, eigenwilliger, aber nicht konstruierter. Ich liebe Blum wirklich, will ihr nicht allzu nahe treten, keinen Vergleich vom Zaun brechen, aber hier hat er die ganz große Show abgefackelt. 


Meine Meinung: Sein Bester bislang!


Inhaltsangabe:


Warum musste Rita sterben? Wer hat die Supermarktverkäuferin, die doch nie jemand etwas zuleide getan hat, auf dem Gewissen? Hat die 53-jährige wirklich ihr Todesurteil unterschrieben, als sie eines Tages etwas mit nach Hause genommen hat, was sie besser im Laden gelassen hätte? Offiziell ist der Fall abgeschlossen – aber da ist einer, der nicht aufgibt. Ein Polizist, der scheinbar wie besessen Fragen stellt – und Ritas Tod bis zum Ende nicht akzeptieren will…

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