Rezension: "Das Institut“ von Stephen King

Wer glaubt, dass Stephen King nach all der langen Schriftstellerzeit, Teile seiner Kreativität oder Imaginationskraft einbüßen hat müssen, der irrt ganz gewaltig. Seit der Carrie-Erstveröffentlichung 1973 rast dieser verdammt seltsame und zugleich beachtenswerte King-Güterzug - mit voller Wucht - auf uns Leser zu. So viele, stark gezeichnete, ausdrucksstarke Protagonisten, großartige Geschichten, riesige Erfolge pflastern seinen Weg! (Nicht zu vergessen, die Vielzahl an Buchverfilmungen und mittlerweile auch Serienadaptionen!)


Was Stephen King von vielen anderen Autoren klar unterscheidet, ist die Tatsache, dass er aus einem ganz herkömlichen Plot, eine ausgedehnte, strukturierte, spannende Geschichte erzählen kann. Jede einzelne Romanfigur hat (s)eine Vergangenheit und Stephen King kennt sie bestens. Aber es reicht nicht, sie nur zu kennen, man muss sie auch elegant zu Papier bringen. Genau das tut er mit Bravour! Er ist und bleibt ein absolutes Ausnahme-Talent. Seine unbändige Schreibkraft lebt immer noch. Damals,...wie heute. Unfassbar.


Das Ganze in Zahlen und Fakten ausgedrückt, sieht dann wie folgt aus: Stephen King hat mittlerweile über 400 Millionen Bücher in mehr als 50 Sprachen verkauft. Er stand 35 mal auf Platz 1 der New York Times Bestsellerliste. Er darf sich außerdem alle namhaften Literaturpreise der Szene ans Revers heften, wie zum Beispiel den „World Fantasy Award“, den „Hugo Award“, den „Locus Award“, den berühmten „Bram Stoker Award“, den „National Book Award“, sowie den brüchtigten „Edgar Allan Poe Award“. 2003 erhielt er den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. 2015 ehrte Barack Obama ihn mit der National Medal of Arts. 2018 gab’s den „PEN America Literary Service Award“.


Eine Tatsache lässt sich aber dennoch nicht leugnen: Stephen King scheint etwas in die schriftstellerischen Jahre gekommen zu sein. (Könnte Bill Hodges eventuell ein verfrühter Hinweis darauf sein, dass sich der Meister bald in den Ruhestand verabschiedet?)

Man muss schon zugeben: Die Handlungen werden (für seine Verhältnisse) etwas kürzer, der Horror-Anteil weniger, die Protagonisten gemächlicher. Gesamtheitlich betrachtet wirkt das Ganze viel komprimierter, kompakter und zusammenhängender. Was die Sachlage nicht unbedingt schlechter, aber auch irgendwie seltsamer macht.


Jedenfalls tritt er mit „Das Institut“ den lebenden Beweis dafür an, dass ans Aufhören kaum zu denken ist. In altbekannter (inhaltlicher) Stärke, nimmt er den modernen Rückenwind seines „Outsider“ mit, zeigt in gewohnt starker Qualität sein Können und spielt abermals - auch wenn diese voluminösen, dichten Erzählungen nicht jedermanns Angelegenheit sind - in seiner ganz eigenen Liga. Auch hier gilt: Die Story ist großartig, üppig, ausgiebig,...die Charaktere gut konzipiert (wenn auch nicht mit dem letzten Engagement für Persönlichkeit und Tiefgang), die Erzählung - trotz etwas zu oppulenter Anlaufzeit - gewohnt unterhaltsam, soweit alles in bester Ordnung. Jetzt kommt das große ABER: Ich finde die Übersetzungsarbeit von Bernhard Kleinschmidt einfach grauenhaft. (Nicht nur hier, sondern in vielen vorhergehenden Projekten genauso!) Stellenweise ist der Text so brachial, banal, beinahe primitiv übersetzt, dass es dem Inhalt eher leichte bis mittelmäßige Verletzungen zufügt, als dass Gegenteiliges der Fall wäre. Vor allem bei der Dialoggestaltung kämpft er mit ganz harten Bandagen und lässt einen für mich völlig unverständlichen Slang durchsickern! Bsp.: „Wenn es pisst (regnet? schüttet? in Strömen gießt?...) und ich in meinem Zelt bleiben muss, red(e) ich mir ein, dass bei ‘nem (einem) Wolkenbruch sicher nix (nichts) unterwegs is(t).“ Merkwürdig ist auch, dass der Großteil der Figuren, dieselbe Art Gesprächskultur zu pflegen scheint. Ganz schön seltsam! (Wäre Stephen King der deutschen Sprache mächtig, würde ihm das - mit Sicherheit - nicht gefallen.) Um aber fair zu bleiben: Kleinschmidt ruiniert die Erzählung nicht zur Gänze, er boxt sie lediglich mit Händen und Füßen, mit dem Resultat, blaue Flecken, sowie ein kaputtes Erscheinungsbild zu hinterlassen! Außerdem wird es mit zunehmender Seitenanzahl spürbar besser.


Fazit:


Es sei mir diese ausgedehnte, detailreichere Besprechung bitte zu verziehen, schließlich sollte die Intensität der Rezension, den Werdegang des Horror-Meisters umschmeicheln: Seine unbändige Leidenschaft, die mehr als vorzeigbare Bibliographie, ist mindestens genau so spannend, wie sein vom Leben gezeichnetes Dasein als Mensch und nicht immer ganz greifbarer Horrorautor.

Doch das wohl Kurioseste an der King-Historie ist die Tatsache, dass auch 45 Jahre nach seinem Debüt, seine Handlungen funktionieren, er seine Konzepte immer wieder neu angepasst, dennoch seiner Linie treu bleibt, und stets bemüht ist, Geschichten zu kreieren, die seine ganz spezielle Eigenmarke tragen! „Das Institut“ ist auch einer jener Titel, die in die Rubrik „King‘s Best“ gehören.


In diesem Sinne: Wer über die oftmals banal auftretende Übersetzungsarbeit hinwegsehen kann und Stephen Kings Erzählweise noch nicht überdrüssig geworden ist, dem sei dieser Titel durchaus ans Herz zu legen!


Inhaltsangabe:


In einer ruhigen Vorortsiedlung von Minneapolis ermorden zwielichtige Eindringlinge lautlos die Eltern von Luke Ellis und verfrachten den betäubten Zwölfjährigen in einen schwarzen SUV. Die ganze Operation dauert keine zwei Minuten. Luke wacht weit entfernt im Institut wieder auf, in einem Zimmer, das wie seines aussieht, nur dass es keine Fenster hat. Und das Institut in Maine beherbergt weitere Kinder, die wie Luke paranormal veranlagt sind: Kalisha, Nick, George, Iris und den zehnjährigen Avery. Sie befinden sich im Vorderbau des Instituts. Luke erfährt, dass andere vor ihnen nach einer Testreihe im »Hinterbau« verschwanden. Und nie zurückkehrten. Je mehr von Lukes neuen Freunden ausquartiert werden, desto verzweifelter wird sein Gedanke an Flucht, damit er Hilfe holen kann. Noch nie zuvor ist jemand aus dem streng abgeschirmten Institut entkommen. 

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