Rezension: "Der Store“ von Rob Hart

Endlich hat es ein Autor fertiggebracht, das komplexe Thema „Onlinehandel“ und die daraus resultierenden (positiven/negativen) Folgen auf das Silbertablett zu hieven und in Form eines Unterhaltungsromanes der Leserschaft zu präsentieren. Vergleiche mit Huxleys „Schöne neue Welt“, oder „1984“ von George Orwell kann man getrost vergessen, dazu ist Rob Harts Buch zu modern und viel zu nah an der heutigen Realität dran. Wenn überhaupt, dann lässt sich „Der Store“ mit den Titeln „Qualityland“ von Marc-Uwe Kling und „The Circle“ (Dave Eggers) in Verbindung bringen. Zwar sind die Handlungen völlig konträr zueinander, die Auffasungsgabe der Autoren aber beinahe ident.


Klar, in erster Linie soll Rob Harts Titel unterhaltsam sein, die Leserschaft zum Nachdenken anregen, aber keinesfalls überfordern. Man darf aber den informativen, aufklärenden und nachdenklich stimmenden Charakter der Geschichte nicht ganz unter den Teppich kehren: Den Onlinehandel im Allgemeinen (bzw. jene Komponenten, die sich rund um dieses Thema ansiedeln), als verwerflich, böse, abstoßend und handelsschädigend zu bezeichnen, wäre nicht fair und ohnehin etwas zu banal ausgedrückt. Man sollte sich vielmehr um Aufklärungsarbeiten kümmern, Bewusstsein am Konsumenten schaffen und versuchen, den moderenen Onlineauftritt, mit der Retrovariante des stationären Handels bestmöglich zu kombinieren.


Wir können uns nun um Kopf und Kragen reden, debattieren, vergleichen, verurteilen, gegenüberstellen, die Online-Schiene und deren Nutzer ins Kreuzverhör nehmen, zur Hölle fahren lassen, aber Fakt ist: Das Konsumverhalten der Bevölkerung hat sich deutlich verändert, Angebot und Nachfrage halten sich nicht mehr die Waage, Machtverhältnisse verschieben sich, Gewissensbisse nehmen ab, Bequemlichkeiten treten auf, einfache Lösungen werden interessanter, das Kaufverhalten kompakter, trotz Überpowerung des Marktes strukturierter. Tatsache.


Genug der Besserwisserei!


Zunächst einmal möchte ich die optische Aufmachung überaus lobend hervorheben, die Idee der Konzeption feiern und den Verantwortlichen zu dieser Leistung beglückwünschen. Hier wurde auf qualitativer Ebene ganze Arbeit geleistet. (Klassische „Coverkäufer“ wissen wovon ich rede)

Und da wären wir auch schon wieder bei dem Thema: Überangebot, visuelle Reizüberflutung, was mich übrigens zu der entscheidenden Frage bringt:


Was hat Rob Hart nun aus dieser recht schwierigen Angelegenheit rausgeholt?


Antwort: Einen richtig unterhaltsamen und zugleich erschreckenden Roman über Geldgier, Machtdemonstration und monopolistische Massenabfertigung im Online-Zeitalter, der einem klar vor Augen führen soll, wie schnelllebig unsere Gesellschaft unter solch modernen, aber auch gravierenden Bedingungen zu funktionieren hat. Es handelt sich aber auch um einen gesellschaftskritischen Text, der die klaren, strukturierten, aber dennoch verheerenden Arbeitsbedingungen anschneidet und das Dasein von Mensch und Maschine miteinander verbindet. Außerdem entwirft Rob Hart eine völlig neue, (beinahe) vollautomatisierte Unternehmensphilosophie, befördert das Bargeld schlagartig in den Mülleimer, ersetzt es durch Credits, kontrolliert, initiiert und beliefert mit hausinternen Systemen, bindet Mitarbeiter an die unausweichlichen Vertragselemente und reduziert den Face-to-Face Client-Kontakt auf ein absolutes Minimum.


Clever? Hilfreich? Wirtschaftstod? Das dürft ihr gerne nach Beenden der Lektüre selbst entscheiden...


Rob Hart hat es jedenfalls bestens verstanden, wie man einen derart vielschichtigen Roman aufbauen muss, um das Interesse der Leser zu wecken, zu befruchten und konstant hochzuhalten. Alles Bestens, wäre da nicht dieser kleine Schönheitsfehler namens Bernhard Kleinschmidt (Übersetzer). Ohne ins Detail gehen zu wollen, darf ich an dieser Stelle dennoch anmerken, dass mir diese brachialen, grundschulhaften, primitiv angelegten Satzbauten von Kleinschmidt überhaupt nicht bekommen, ganz im Gegenteil, eher schwer im Magen liegen!


Fazit:


Liebe Leute, wir werden jetzt mal die Kirche im Dorf lassen, denn jeder von euch hat schon mal in einem OnlineStore eingekauft! ABER: Alles hat seinen Preis. (Ginge es nach Rob Hart, dann wärt ihr jetzt wahrscheinlich alle unter strengster Beobachtung, oder eventuell sogar tot und würdet irgendwo im Morast verrecken.) Entscheidend ist nicht etwa, OB ihr online oder stationär kauft, sondern WIE ihr mit den vorhanden Möglichkeiten umgeht, und in welchem Ausmaß ihr euer Kaufverhalten demonstriert. 

Rob Hart nennt das Kind zwar nur beim Eigennamen (Wir wissen doch alle, dass es sich um DEN einen OnlineStore handelt!), übertreibt aber derart maßlos, dass der Kern der Sache - in einem 592-seitigen Schleichprozess - langsam untergeht. Egal. Solange der Unterhaltsungswert stimmt, solange die Charaktere dich nicht mit ihrem pathetischen Dasein erschlagen, solange die Dialoge vernünftig klingen, die Story Hand und Fuß hat, ist doch alles in bester Ordnung, oder?

Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass mich dieser Roman - trotz holpriger und völlig lebloser Übersetzungsarbeit - nicht erstklassig unterhalten hat!


Kaufempfehlung!


Inhaltsangabe:


Du bekommst alles im Store. 

Aber es hat seinen Preis. 


Der Store liefert alles. Überallhin. Der Store ist Familie. Der Store schafft Arbeit und weiß, was wir zum Leben brauchen. Aber alles hat seinen Preis. 


Paxton und Zinnia lernen sich bei Cloud kennen, dem weltgrößten Onlinestore. Paxton hat dort eine Anstellung als Security-Mann gefunden, nachdem sein Unternehmen ausgerechnet von Cloud zerstört wurde. Zinnia arbeitet in den Lagerhallen und sammelt Waren für den Versand ein. Das Leben im Cloud-System ist perfekt geregelt, aber unter der Oberfläche brodelt es. Die beiden kommen sich näher, obwohl sie ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Bis eine schreckliche Entdeckung alles ändert. 


»1984« und »Schöne neue Welt« waren gestern – die Zukunft von »Der Store« ist jetzt.

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