Rezension: "Der Riss“ von Hye-Young Pyun

Wenn einem Schlimmes widerfährt, dann hinterlässt das prägende Ereignis tiefsitzende Furchen in unserem Leben. Speziell der menschliche Verstand kann sich nur schwer von dieser Szenarie distanzieren und wird unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen.

Der mir gänzlich unbekannte Autor Pyun Hye-young hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, seinen Protagonisten durch eine Odyssee der Kasteiung zu schicken, die er - für meinen Geschmack - zwar etwas zu lakonisch, aber dennoch mit größtmöglicher Sorgfalt für seine Figurenzeichnung ausführt. Den Grundstock der Handlung bildet ein niedergeschlager Charakter namens Ogi, der an den Folgen eines Unfalls zu Grunde zu gehen scheint, der seine Ehefrau ins Jenseits befördert hat. Geplagt von Reue und Schuldgefühlen lässt ihn der Autor dahinvegetieren und verpasst ihm eine melancholische, bemitleidenswerte Rolle. Metaphorisch für den kafkaesken Zerfall seines Daseins ist die immer wiederkehrende Suche nach einer manifesten Begründung, die ausweglose Suche nach Erklärungen und die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit/Kindheit. Dies setzt Pyun Hye-young gekonnt in Szene, indem er viele Absurditäten in den Figurenalltag miteinfließen lässt und den Protagonisten als unbeteiligten Zuschauer platziert. Im Zentrum der Geschichte steht ein hübscher, üppiger Garten, der mehr und mehr zu verwelken droht, weil Ogis Schwiegermutter wie besessen, schwarze Löcher gräbt. Das klingt jetzt zwar vollkommen bescheuert, baut aber im Fortlauf der Story enorme Kraft auf und dient schlussendlich dazu, die sinnbildlichen Schuldzuweisungen an Ogi zu verstärken. Franz Kafka hätte daran seine hellste Freude gehabt, da bin ich mir ganz sicher. Wer hier eine in sprachlicher Hinsicht voluminöse Erzählweise erwartet, wird nicht ganz auf seine Kosten kommen. Man sollte sich eher auf viele lakonische, wortkarge Momente einstellen, die aber durchaus den positiven Effekt haben, auf kurzer Distanz, viel zu transportieren.


Wer es also zu schätzen weiß, dass Protagonisten den Hauptteil des Geschehens einnehmen, sämtliche Moralangelegenheiten in Metaphern präsentiert werden und der Stil in knappen, lakonischen Dosen verabreicht wird, der wird mit diesem Titel viele angenehme Lesestunden verbringen. Mir persönlich haben ein paar Überraschunge 


Inhaltsangabe:


Kann das Leben einen so tiefen Riss bekommen, dass man durch ihn hinabstürzt und darin verschwindet? Ogi hat Schuld an dem Unfall, durch den seine Frau getötet wurde. Im Haus seiner Schwiegermutter vegetiert er nun schwer verletzt vor sich hin. Seine Welt schrumpft zu dem Bett, in dem er liegt. Im Inneren halten beunruhigende Gedanken an seine Frau ihn gefangen. Draußen verwandelt sich ihr üppiger Garten in einen welken Orten, entstellt von dunklen Löchern, die die Schwiegermutter wie besessen gräbt. Was verbirgt sich hinter der unheimlichen Obsession für den Garten? Ein so kafkaesker wie hypnotisierender Roman von den verstörenden Rissen, die Einsamkeit, Schuld und Entwurzelung im Leben hinterlassen können.

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