Rezension: "Was in jener Nacht geschah“ von Katherena Vermette

Die Ausgangslage scheint klar zu sein: Wir haben einen brutalen Überfall, Blut im Schnee, kein Opfer und eine mehr als zweifelhafte Augenzeugin, die mehr schlecht als recht ihre Aussage zu Protokoll bringt. Man dürfte es hier mit einem als Drama getarnten Kriminalroman zu tun haben, der sich überraschenderweise, sehr gefühlsecht an das raue, wechselhafte Setting Kanadas festklammert, und in der die Charaktere (anfangs) etwas planlos mit voreiligen Schlüssen um sich schießen.

 

Doch die zu Beginn essentiellere Frage wäre: Wer bitteschön ist Katherena Vermette? Ich muss tatsächlich gestehen, dass ich von dieser Autorin weder etwas gehört, noch gelesen habe, was wiederrum kaum verwunderlich sein dürfte, denn bei „Was in jener Nacht geschah“ handelt es sich um einen Debütroman der in Winnipeg aufgewachsenen Urkanadierin.

Gut so, denn so können wir völlig frei und unvoreingenommen an die Sachlage herangehen.

Den ‚McNally Robinson Book of the Year Award‘, ‚Margaret Laurence Award for Fiction‘ und den ‚Carol Shields Winnipeg Book Award’ hat sie schon mal in der Tasche. Außerdem hat es die Story auf die Shortlist des ‚Governor’s General Literaray Award‘ geschafft. Und: Margaret Atwood gibt ihren Segen und betitelt Vermette als „Eine großartige Autorin mit einer großen Zukunft“.

Nicht zu vergessen, dass der btb Verlag konstante Leistungen liefert und demnach ein wirklich vorzeigbares Programm zu führen weiß. Die positiven Vorzeichen sind somit unverkennbar.

 

Doch was steckt nun dahinter? Kann der Titel durch Inhalt, Authentizität, Atmosphäre, sowie durch Einfallsreichtum punkten?

 

Am Einfallsreichtum gibt es jedenfalls nichts auszusetzten, auch inhaltlich hat die Autorin wirklich gute Arbeit geleistet. Der Unterhaltungswert ist da, die Protagonisten agieren der Sinnhaftigkeit ihres Daseins entsprechend, soweit alles in Ordnung. Doch was die ganze Sache immens beleidigt, ist - wieder einmal - die Übersetzungsarbeit.

An diesem Punkt wird es dann doch etwas heikel, denn wir stehen abermals vor dem Faktum, dass die inhaltliche Komponente stark unter der schwachen Übersetzungsarbeit leidet. Das tut sie wirklich, und das kann ich mit Gewissheit beurteilen, ohne aber eine Orignalfassung unter die Lupe nehmen zu müssen. Ich weiß nicht woran es genau liegt, aber das Geschriebene wirkt holprig, äußerst lustlos, ja fast schon kindlich transportiert. Keinesfalls möchte ich der Story, oder gar dem wirklich ambitioniert ausgearbeiteten Konzept zu nahe treten, aber das Gelesene fühlt sich dann doch etwas fadenscheinig an.

 

„Was in jener Nacht geschah“ ist für mich ein weiteres Paradebeispiel dafür, dass nicht nur der ordnungsgemäße Transport der Sprache eine Rolle spielt, sondern auch die Leidenschaft ihn durchzuführen, einen erheblichen Einfluss auf die Qualität haben kann. Es muss beinahe so vonstatten gehen, und da bin ich felsenfest davon überzeugt, dass ein Übersetzer auch den Inhalt mit schriftstellerischem Feingefühl zu Papier bringen muss. Genau so, als würde er in diesem Prozess selbst zum Autor werden. Passiert das nicht, wird die Leserschaft die Lunte riechen.

 

Inhaltsangabe:

 

 

Winnipeg, am Rande der Stadt. In einer kalten Winternacht schaut die junge Mutter Stella aus dem Fenster und bemerkt, dass draußen auf der einsamen Brache vor ihrem Haus ein Mädchen überfallen wird. Voller Furcht ruft sie die Polizei. Als die Beamten eintreffen, finden sich zwar Zeichen eines Kampfes, eine zerbrochene Bierflasche und Blut im Schnee, aber vom Opfer fehlt jede Spur. Und die Beamten haben Zweifel, dass Stellas Aussage, eine Frau sei vergewaltigt worden, der Wahrheit entspricht. Doch es ist die Polizei, die sich irrt. 

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