Rezension: "Die Tochter der Hexe“ von Paula Brackston

Ein Debütroman per se ist schon etwas ganz Besonderes: Er fühlt sich leicht an, wirkt weitestgehend ungezwungen, die Bemühungen des Autors sind rein, „naturbelassen“, man kann förmlich den blinden, unschuldigen Enthusiasmus des Schriftstellers spüren, ihn nachempfinden. Herrlich.

Warum beginnen ich meine Rezension mit einer derartig plumpen Phrasendreschei? Ganz einfach: Weil Paula Brackstons Erstling tatsächlich so unverblühmt, leichtfüßig und charmant daherkommt, wie ich es oben bereits beschrieben habe. Neben diesen äußerst einladenen Komponenten, gelingt es ihr ganz wunderbar, zwei grundverschiedene Welten, zwei völlig konträre Zeiten miteinander zu verweben. Außerdem lässt sie Charaktere aufeineander los, die wohl unterschiedlicher nicht sein können. Einerseits begegnen wir einer 384 jährigen, kräuterkundigen, (Jahrmarkt-)Hexe, deren Weg im 17. Jahrhundert ihren Lauf nimmt und sich scheinbar endlos bis ins 21. Jahrundert fortsetzt. Andererseits schreibt Brackston das Jahr 2007, pflegt moderne, zeitgemäße Charaktere ein und lässt sie dort auf eine Einsiedlerin treffen, die völlig zrückgezogen in einem alten Cottage lebt, sich mit einer Vielzahl an Geheimnissen umgibt, und nur fadenscheinig durchblicken lässt, eine verdammt mysteriöse Vergangenheit hinter sich zu haben.


Hier haben wir es wieder mit einer Erzählung zu tun, die von der Positionierung und Weiterentwicklung der Charaktere lebt. Da sich die Protagonistin in der Ich-Perspektive manifestiert, findet der Leser viel schnelleren Zugang zur Person, als es wahrscheinlich bei anderen Formen der Fall gewesen wäre. 1. Pluspunkt in Sachen Charakterisierung wäre damit gesammelt. Aber auch die Nebenbuhler, die sich im Laufe dieser Geschichte herauskristalisieren, bekommen von der Autorin Ecken und Kanten verpasst, dass sich somit nichts augenscheinlich Negatives dokumentieren lässt.


Zum Stil der Autorin lässt sich ebenso nichts grob fahrlässiges feststellen: Die Dialoge sind soweit bodenstandig geführt, die Schreibe zeitlos, eher modern gehalten.

Wenn die gute Paula Brackston (bzw. die Übersetzerin) beim nächsten Roman, dann auch noch die langatmigen Passagen und die vereinzelnden Verniedlichungsformen wie „Örtchen“, „Törchen“, „Brötchen“ und „Füßchen“ beseitigt, bin ich ihr zu gehörigem Dank verpflichtet, denn das liest sich schlichtweg grausam. (Das nur so als Randnotiz!)

Mir ist auch aufgefallen, dass die Autorin sich zu Beginn der Erzählung, deutlich an die altertümlichen Aufgaben (Kräuterkunde, Herstellung von Essenzen, Gartenpflege,...) einer Hexe klammert, dass sich die Einleitungsphase dann doch etwas aufgeblasen anfühlt.


Überaus empfindsam habe ich die Tragweite des eingeschränkten Dorflebens der Charaktere wahrgenommen. Unfassbar, wie schnell sich Krankheit und Unmut über die Bevölkerung legen lässt, wie schnell sich Hilflosigkeit breitmachen kann, und vor allem wie grausam es sein muss, auf ärztliche Betreuung verzichten zu müssen. Man war der Pest sozusagen chancenlos ausgeliefert. Dieses - heute kaum vorstellbare - Bild vermittelt die Autorin sehr ausdrucksstark!


Auch wenn man sich regelmäßig - meine Wenigkeit inbegriffen - gegen literarische Klischees zur Wehr setzt, wird man hier das ein oder andere vorfinden, dessen sollte man sich bewusst sein. ABER zum Verständnis: Vorurteile hin oder her, was ich hier betreibe, ist Meckern auf hohem Niveau, das sollte mindestens im gleichen Maße klar sein.


Eines möchte ich aber am Ende noch gesagt haben: So bezaubernd, düster und auf irgendeine Art und Weise verrucht das Cover auch sein mag, vermittelt es dennoch, einen völig falschen Eindruck, denn die Geschichte ist ruhiger, zurückhaltender, viel bodenständiger als die Optik auf den ersten Blick vermuten lässt. Das ist keinesfalls negativ gemeint, ganz und gar nicht, man tut einfach nur gut daran, diese Info - vor Beginn - zu beherzigen.


Ich bleibe dabei: Die Figuren sind gut ausgearbeitet, an der Schreibe gibt es kaum etwas auszusetzen, die Story lässt auf jeden Fall Niveau durchblitzen und der Unterhaltungswert befand sich auf einem konstant attraktiven Level.


Von mir gibt es - in Richtung Fantasy-/Mystery-Liebhaber - eine ganz klare Empfehlung!


Inhaltsangabe:


Bathcomb, England, im Jahr 1628. Fassungslos muss die junge Bess Hawksmith mit ansehen, wie ihre Mutter als Hexe hingerichtet wird. Doch damit nicht genug, die Hexenjäger sind auch hinter ihr selbst her. Verzweifelt vertraut sich Bess dem geheimnisvollen Gideon Masters an, von dem man hinter vorgehaltener Hand munkelt, er sei ein Schwarzmagier. Und tatsächlich zwingt Gideon Bess zu einem dunklen Pakt ... Dorset im Jahr 2007: Bess hat sich in der ruhigen Ortschaft Matravers ein neues Leben aufgebaut. Dank ihrer Kräutermischungen und homöopathischen Heilkünste ist sie bei den Einheimischen hoch angesehen. Keiner ahnt, dass die freundliche, attraktive Frau in Wahrheit eine unsterbliche Hexe ist. Bis Bess eines Tages von den finsteren Mächten ihrer Vergangenheit eingeholt wird.

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