Rezension: "Die Träumenden“ von Karen Thompson Walker

Der Debütroman von Karen Thompson Walker „Ein Jahr voller Wunder“ entwickelte sich prompt zum Bestseller: 250.000 verkaufte Exemplare, in 27 Sprachen übersetzt, AMC-Serie bereits in Vorbereitung. Perfekte Vorzeichen dafür, dass auch ihr zweiter Titel ins Schwarze trifft. ABER: Neue Thematik, neues Genre, neue Ausgangslage, neues Glück:


Kalifornien. Ein Virus greift um sich und nimmt ein epidemisches, schnell verbreitendes Ausmaß an. Möglicherweise durch die Luft übertragbar? Wer weiß?! Panik bricht aus. Anarchie greift um sich. Menschen werden müde, schlafen, fallen in einen Art wachkomatösen Dornröschenschlaf. Der große Unterschied: Dornröschen hat das Privileg, den Dämmerzustand nach 1000 Jahren verlassen zu können, Walker hingegen entlässt ihre Charaktere in den vorzeiten Ruhestand.


Doch was hat die Autorin mit diesem Vorzeige-Plot angestellt? Ist es ihr gelungen, die Leser zu unterhalten, die Dichte einer Erzählung, die atmosphärischen Szenenbilder zu transportieren? Kurz: Welche Eindrücke lassen sich nach Beenden der Lektüre festhalten?


Bestsellerautor Justin Cronin („Der Übergang“) hat hierzu schon mal eine ganz klare Meinung: „Ich kann es kaum erwarten, was diese bemerkenswerte Autorin als Nächstes schreibt.“


Es ist erstaunlich, wie distanziert und zugleich emotional die Autorin diese Geschichte zu erzählen vermag. Völlig ungezwungen, direkt, ja fast schon unbeteiligt, lässt sie diese Epidemie in Erscheinung treten. Sie zeigt auf, wie katastrophal das Leben sein wird, wenn man den Tod direkt vor Augen hat, ihn als solchen aber nicht erkennt, und zudem nicht weiß, wann genau er zuschlagen wird. Ebenso lässt sie durchscheinen, wie hilflos der Mensch werden kann, wenn selbst die Medizin keine Hilfe mehr leisten kann, wenn man sich selbst überlassen wird.


Klar, den Ausgangspunkt (Plot) der Story hat es schon mal gegeben, das ist richtig. Aber wie die Autorin mit der Situation umgeht, wie sie ihre Protagonisten im Griff hat, und vor allem was sie inhaltlich daraus macht ist wirklich überzeugend. Selbiges Dystopie-Schema kennt man im Genre ja: Zuerst kommen die Nachrichten, dann geht der Strom  aus, dann kommt die Panik, das Plündern und Ausbeuten geht langsam los, einer entwickelt sich zum Hero und tritt allen in den Arsch. Kennt man doch. Das verhält sich in „Die Träumenden“ dann doch etwas anders: Es wird hier um einiges bedachter, viel behutsamer an die Sache rangegangen, man nimmt bewusst Tempo raus, kümmert sich eingehender um den Sachverhalt und weniger um Effekthascherei. (Meine unangefochtene Nummer 1 in Sachen Dystopie wird wohl „Das Licht der letzten Tage“ von Emily St. John Mandel bleiben.)


Eine Ähnlichkeit zu Stephen Kings „Sleeping Beauties“ lässt sich nur insofern feststellen, als das der epidermische Inhalt grundsätzlich mit Schlaf zu tun hat. Blutrünstige Frauen-Monster darf man sich hier aber nicht erwarten. Um euch eine eventuelle Enttäuschung zu nehmen: Es würde ohnehin nicht zur Struktur der Erzählung passen, da sich diese auf ganz andere Kernpunkte konzentriert. Und zwar auf den Umgang mit einer plötzlich auftretenden Schlafkrankheit, die Panik, Angst und Hilflosigkeit vorausschickt. Aber auch die Charakterentwicklungen und die damit verbundene Konfrontation mit der eigenen Verunsicherung, etwas Unbekanntem gegenübertreten zu müssen, steht ganz klar im Fokus und trägt hier wesentlich zur Vollendung des Gesamtbildes bei.

Einzig allein die Ausführungen im Präsens haben mir Anfangs etwas Probleme bereitet, haben den Lesefluss etwas gehemmt, ansonsten sprechen wir hier von einer durchaus runden Sache!


Inhaltsangabe:


Santa Lora, Kalifornien: Es beginnt an einem College. Ein junges Mädchen auf einer Party fühlt sich plötzlich müde, so müde wie noch nie in ihrem Leben. Sie wacht nicht wieder auf. 

Zuerst denken sie, es kommt aus der Luft, ein Gift, eine Art Virus. Aber niemand kann es nachweisen. 

Was auch immer es ist, es breitet sich rasend schnell in Santa Lora aus: Menschen werden müde, legen sich hin – und schlafen für immer. Sie sind nicht tot, sie wachen aber auch nicht mehr auf. 

Panik bricht aus, die Stadt wird von der Außenwelt abgeriegelt. Mittendrin: Eine junge Studentin, die im College unter Quarantäne steht. Zwei kleine Mädchen, deren Vater ihr Haus in eine Festung verwandelt. Und ein Paar, das verzweifelt versucht, sich und ihr Neugeborenes zu schützen, während um sie herum alles im Chaos versinkt. 


»Die nächste große Autorin.« (Rolling Stone)


»Walker paart die unglaubliche Stärke ihrer Ideen mit einem lyrischen und bedeutungsvollen Verständnis unserer Gegenwart.« (People Magazine)

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