Rezension: "Bösland“ von Bernhard Aichner

Bernhard Aichner feiert mit seiner Totenfrau-Trilogie großartige Erfolge. Auf nationaler-, aber auch auf internationaler Ebene. Prägnante, stark konzipierte Plots, großartige Dialoge, ein unvergleichlicher Stil und hervorragend charakterisierte Protagonisten sind nur ein paar seiner Markenzeichen.

Seine Fans lieben ihn außerdem für seine charmante Art und Weise, Dramaturgie, Emotionen, Blut und Psychoterror unter einen Hut zu bringen.

 

Nun steht er vor einer wahnsinnig schwierigen Aufgabe: Die Blum-Story sacken zu lassen, sich neu zu erfinden, „von vorne zu beginnen“, und trotzdem seiner gewohnt starken Linie treu zu bleiben. Kurzum: Dieser Titel muss funktionieren!!! Sofort kommt die Entwarnung: Er tut es! Zu 100%.

 

Die Handlung von Aichners ersten unter btb-Flagge veröffentlichten Stand-Alone „Bösland“ ist - wie immer - gewohnt stark konstruiert, ohne dabei aber aufgesetzt, oder gar gekünstelt zu wirken. Aichner schickt den Protagonisten abermals durch eine missratene, gewaltgeprägte Kindheit, lässt ihn hoffen und durchleiden, behandelt ihn abermals schlechter als er es verdient hat und zeigt, welche Auswirkungen traumatische Ereignisse/Erlebnisse auf die menschliche Psyche haben können. Da ist es kaum verwunderlich, dass der erste grausame Mord nicht lange auf sich warten lässt. Und der kommt in Form eines mit dem Golfschläger zu Tode geprügelten Mädchens. Auf der Gefühlseben hat er hier wieder ganz harte Bandagen aufgefahren und trifft - mit Sicherheit auch bei vielen anderen Lesern - voll ins Schwarze. 

 

Trotz altbewährter Stäkte sind mir dann doch zwei kleine feine stilistische Unterschiede aufgefallen:

 

1. Aichners Stil wird phasenweise ausführlicher; der Satzbau strukturierter und länger, die beabsichtigten Wortwiederholungen seltener, die Einwortsätze karger.

 

2. Die Dialoge und Erzählformen wurden diesmal - zum Zwecke der Handlung - nicht nur durch Gedankenstriche, sondern auch kapitelweise strikt voneinander getrennt. So liest man in abwechselnder Form, Erzähler (Gedankengänge und Ausführungen der Protagonisten werden wie gewohnt in kursiv dargestellt!) und Dialoge. So tritt beispielsweise in „Kapitel 1“ der Erzähler auf, in „Kapitel 2“ sind die Dialoge dran, „Kapitel 3“ gehört dem Erzähler, „Kapitel 4“ den Dialogen und so weiter.

 

Fazit:

 

Ich zitiere mich ja ungern selbst, aber in diesem Fall muss ich doch eine kleine Ausnahme machen:

 

„Ich kenne keinen einzigen Krimiautor, den man auf literarischer Ebene mit Bernhard Aichner vergleichen könnte. Sein unverwechselbarer, reduzierter Schreibstil, seine Dialog-Punktlandungen, seine perfekt ausgearbeiteten Charaktere, sind nur ein paar wenige Beispiele, die seine unfassbare Stärke unter Beweis stellen. Zudem bleib er seinem Konzept stets treu (ganz, ganz wichtig!!), schafft es anhand weniger Worte, Tiefgang enstehen zu lassen und konzentriert sich vor allem immer wieder auf das Wesentliche: Das Schreiben. Und das merkt man.“

 

All diese oben angeführten Komponenten treffen auch auf Bernhard Aichners „Bösland“ zu. Und noch viele mehr: Er hat wieder einmal eine ganz besondere Handlung ins Leben gerufen, die sich durch die dramaturigischen Einschläge einer Familiengeschichte extrem von den ansonsten so schlicht konzipierten Thriller abhebt. Im Vordergrund stehen - wie gewohnt - die Protagonisten, um dessen Dasein er seine für diese Genregattung untypisch emotionale Erzählung aufbaut. Hinzukommt sein ganz besonderer Umgang mit der eigenen sprachlichen Ausführung, die ich übrigens seit der ersten Stunde in den Himmel lobe.

 

Nun: Bernhard Aichner ist seinem Status als Bestsellerautor mehr als gerecht geworden, legt sowas von gewaltig nach, setzt seiner Blum Trilogie die Krone auf und vertreibt abermals sämtlichen Spielraum für Kritiken.

 

Zusammenfassend: Wenn ihr mal aus dem gängigen Thriller-Einheitsbrei ausbrechen und eine sehr ambitionierte Story lesen möchtet, dann kauft euch Bernhard Aichners „Bösland“. Es ist inhaltlich wie stilistisch mit keinem anderen Titel zu vergleichen. Die Spannung ist da, die Dialoge funktionieren und sind so messerscharf, dass sie Kerben in deinem Gedächtnis hinterlassen werden. (Da ist Aichner für mich sowieso die unangefochtene Nummer 1!); die Figuren haben die notwendigen Konturen, die Handlung ist mitreißend, emotional, anders.

Kurz: „Bösland“ ist - ganz ohne Übertreibung - der außergewöhnlichste Thriller, den ich in diesem Jahr lesen durfte.

 

Bernhard, das hast du wie immer gut gemacht!

 

Inhaltsangabe:

 

Sommer 1987. Auf dem Dachboden eines Bauernhauses wird ein Mädchen brutal ermordet. Ein dreizehnjähriger Junge schlägt sieben Mal mit einem Golfschläger auf seine Mitschülerin ein und richtet ein Blutbad an. Dreißig Jahre lang bleibt diese Geschichte im Verborgenen, bis sie plötzlich mit voller Wucht zurückkommt und alles mit sich reißt: Der Junge von damals mordet wieder … 

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