Rezension: "Wie meine Frau einunfünfzig Prozent ihrer Seele rettete“ von Andrew Kaufman

Seltsam, aber wahr: Mir ist aufgefallen, dass ich bei einem Großteil meiner bisherigen Buchbesprechungen, äußerst wenige Titel verissen habe. Dies könnte zumal an der Tatsache liegen, dass ich ein unfassbar gütiger Mensch bin und in Hinblick auf verpatzte Schriftstellerleistungen meist Gnade vor Recht ergehen lasse. (Ich hoffe, ihr habt das ironische „Augenzwinkern“ rauslesen können?) Vielleich liegt es aber auch daran, dass der Gesang von Lobeshymnen ganz einfach zu meinen absoluten Lieblingsbeschäftigungen gehört? Möglicherweise liegt es an meinem literarischen „Blinden Fleck“, hinter dem sich viele negative Eindrücke verstecken und zugleich von positiven Aspekten überlagert werden. ODER - und das wird wohl die wahrscheinlichste Ursache sein - es liegt an meiner besonderen Gabe (kombiniert mit einem kräftigen Schuss Glück), aus diesem riesigen Pool an Büchern, stets die richtigen Titel herauszupicken?


Lange Rede kurzer Sinn: Andrew Kaufmans 105 seitige Kurzgeschichte ist genau einer dieser „Glücksgriffe“.


Diese Geschichte ist eine verdammt krasse Wundertüte. Sie verbirgt im Innern viele mysteriöse Geheimnisse, viele unheimliche Seltsamkeiten. Hat man das Kapitel zu Ende gelesen, fragt man sich während man ungeduldig, gierig im nächsten Kapitel steckt, was man da eigentlich gerade gelesen hat. Das Merkwürdige allerdings: In jeder kleinen Story, mag sie noch so kurz und knapp sein, versteckt sich eine gewaltige Botschaft. Andrew Kaufmans Auftrag liegt nach Beenden der Lektüre ganz klar auf der Hand: Ihm ist es in diesem Roman nicht etwa um die Positionierung von Charakteren gegangen, oder vielleicht darum, möglichst viele zusammenhängende Handlungskomponenten an die Leser zu bringen. Er möchte ihnen mit dieser Lektüre Warnsignale übersenden, eine klare Botschaft - mittels Fingerzeig - mit auf den Weg geben: Die Seele ist unverkäuflich. Pass auf sie auf und bringe Teile davon, auf gar keinen Fall in Verbindung mit sentimentalen Gegenständen. Sie könnten schnell verloren gehen oder gar entwendet werden.


Andrew Kaufman neigt außerdem zur maßlosen Übertreibung. Dies kann man in den einzelnen Handlungsabschnitten wunderbar herauslesen. So klingt der Verlust der eigenen lebensnotwendigen Habseeligkeiten wie ein erzähltes Märchen, eine unheimliche Parabel auf das menschliche Dasein. 


Fazit:


Wer auf diese kurze Distanz, so viel Kluges zu berichten hat, so einen starken, intelligenten Inhalt transportieren und die Wahrheit so spielerisch und abgebrüht zwischen den Zeilen verstecken kann, genau da, wo andere um ein Vielfaches mehr an Platz benötigen, der hat von mir den allerhöchsten Respekt verdient.


Großartig fand ich neben einer wirklich außergewöhnlichen Story, die Iluatrationen von Tom Percival. Sie geben der Handlung einen verdammt unheimlichen Touch und runden den Titel als Gesamtkunstwerk wunderbar ab.


Inhaltsangabe:


Eine Frau, ein Mann und die guten wie nicht so guten Zeiten einer ganz normalen Ehe. Eigentlich ist alles ziemlich gewöhnlich an Stacey und ihrem Mann. Bis sie in den seltsamsten Banküberfall aller Zeiten verwickelt wird. Denn der Räuber will nicht etwa Geld oder Schmuck stehlen, nein, der Dieb hat es auf einundfünfzig Prozent ihrer Seele abgesehen! In den Tagen nach dem Überfall beginnt Stacey immer weiter zu schrumpfen, sie wird immer kleiner, sogar winzig, und hat Angst bald ganz zu verschwinden. Was hat der Dieb ihr wirklich gestohlen? Wie bekommt sie es zurück? Und was hat ihre Ehe mit all dem zu tun? 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0