Rezension: "A Head full of Ghosts“ von Paul Tremblay

Wer eine brutale Teufelsaustreibung, einen Exorzismus an einer Minderjährigen in der Öffentlichkeit - besser gesagt „im Free-TV“ - demonstriert, der hat entweder einen schlechten Sinn für Humor, einen beinahe unbändigen Geltungsdrang, psychische Probleme, Geldsorgen, oder schlichtweg nicht alle Tassen im Schrank. Gefühlszustände wie Wut, Unverständnis, Traurigkeit, Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit machen sich schnell beim Lesen bemerkbar. Ich kann zwar nicht für andere sprechen, aber was meine Wenigkeit betrifft, so darf ich zu 100% bestätigen, dass mich dieser Paul Trembley ganz schön durch den Fleißwohl gedreht hat. Mehrmals. Rücksichtslos.


Eine Autorin auf der Suche nach DER EINEN Story. Eine Schwester, die etwas zu erzählen hat. Ein Teufelsaustreibung. Live. Im Fernsehen. Eine Gräueltat, die aufgeschrieben werden will. All das sind die Zutaten, aus denen Tremblay sich diesen Horror-Cocktail mixt.


Bevor ich mit meiner Lobeshymne auf „A Head full of Ghosts“ beginne, möchte ich vorher noch die Großartigkeit der „Festa-Must-Read“-Reihe unterstreichen. Diese ist optisch wunderbar aufbereitet, mit viel Liebe für die Übersetzungsarbeit niedergeschrieben und in ihrer Ausprägung und Konzeption herrlich eindringlich. Doch vor allem gefällt mir die Idee, sich auch mal etwas Abseits des gängigen Verlagsschemas - hinsichtlich der Genres - umzusehen und sich immer wieder neu inspirieren zu lassen. Das klappt hier ganz hervorragend.


Ohne jetzt groß in einen Direktvergleich mit anderen Festa Titeln gehen zu wollen, muss und möchte ich dennoch klar hervorheben, dass mir die Geschichte von Paul Tremblay mit Abstand am besten gefallen hat.

Sie ist wunderbar unheimlich, ereignisreich, weiß mit einer einfachen, aber dennoch kompakten, starken Sprache zu überzeugen. Sie nimmt sich vom Tempo her bewusst zurück, erzählt bedacht langsam, lässt die Akteure harmonisch interagieren, und gibt dem Leser die Möglichkeit, in bewusst zurückhaltender Gangart, sich die Grausamkeiten und die Auswirkungen einer ganz normalen „Krankheit“, einer Andersartigkeit vor Augen zu führen. Doch am meisten hat mich die Art und Weise begeistert, wie Tremblay sich an das heikle ‚Exorzismus‘-Thema heranwagt. Im Zentrum steht hierbei ganz klar die empathische Charakterisierung der Protagonisten und deren Lebensgeschichte und nicht die oftmals sinnlose Effekthascherei, einen Dämon krampfhaft manifestieren zu müssen.

Unterstützt/Unterbrochen wird die eigentliche Erzählung  von einer im Buch auftretenden Bloggerin, Karen Brissette, die den Ablauf dieser „Exorzismus-LiveShow“ dem Leser mittels Beiträgen näherbringt. Gekennzeichnet werden diese durch eine andere Schriftart, sowie der Headline „The Last Final Girl“. Man muss aber anmerken, dass diese Einträge lediglich eine kleinen Part der Geschichte einnehmen, die „Dokumentation“ des lansamen, stetigen Zerfalls eines eigentlich kerngesunden Individuums bildet ganz klar das Zentrum.


Fazit:


Paul Tremblay beschert uns einen außerordentlichen, stilisitsch gut komponierten, untypisch ruhigen Roman, in dem sich viele unbehagliche und verdammt gruselige Szenen wiederfinden. Ja wenn sich sogar Stephen King höchstpersönlich die Bettdecke bis zum Kinn zieht, dann könnte dies durchaus etwas zu bedeuten haben.

Obwohl die Geschichte viele neue interessante Impulse zu bieten hat, lassen sich dennoch jede Menge typisch klischeehafte Elemente ausmachen, wie zum Beispiel die Darstellung des lansgsamen, stetigen, moralischen Zerfalls des besessenen Individuums, oder das offensichtliche „nach außen kehren“ eines dämonischen Wesens.

Da ich weder am Stil, an der Protagonistenzeichnung, an der Haupthandlung per se, noch an der Tatsache das hier keine klassische Genrezuordnung möglich ist, etwas zu bemängeln habe, bleibt mir nur noch eines auszusprechen: EINE GANZ KLARE KAUFEMPFEHLUNG!!!


Inhaltsangabe:


Ein Meisterwerk des psychologischen Schreckens. 


A Head Full of Ghosts schildert auf mehreren Zeit- und Personenebenen die Erlebnisse der 14-jährigen Marjorie. Als sie Anzeichen einer Geisteskrankheit zeigt, gipfelt die Hilflosigkeit ihrer Familie und der Ärzte in einem Exorzismus, der als Show live im TV ausgeschlachtet wird. 

Jahre später gibt Merry, die jüngere Schwester von Marjorie, ein Interview und spricht über die tragischen und unheimlichen Geschehnisse, die seither zur urbanen Legende wurden. 


Stephen King: 'A Head Full of Ghosts hat mir höllisch Angst gemacht, und so leicht erschreckt man mich nicht.' 


Stewart O'Nan: 'Verstand verwirrend unheimlich, krank und traurig.'

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