Rezension: "Der Wille zum Bösen“ von Dan Chaon

So. Dieses Mal ist es mir ein besonderes Anliegen, gleich zu Beginn der Buchbesprechung, einen klaren Kritikpunkt, bzw. eine mir auf der Zunge liegende Frage in Richtung des Autors abzufeuern:


WARUM UM ALLES IN DER WELT HABEN SIE DIESES BUCH SO LANGE VOR UNS VERSTECKT GEHALTEN?


Bei diesem Krimi passt einfach Vieles zusammen: Die stark konstuierten Handlungsstränge, die sich im Laufe der Geschichte verbinden. Die Protagonisten die sich ständig weiterentwickeln, die großartige Backgrounds haben und von diesen geleitet werden. Dialoge die ehrlich, der Situation entsprechend geführt werden. Eingehend. Rasant. Gefühlvoll in der Protagonistenzeichnung. Ernstzunehmend. Alles Charaktereigenschaften, die den Autoren leider immer mehr abhandenkommen, die in diesem Fall aber klar und deutlich für Dan Chaon sprechen, ihn wunderbar vom Massengschäft abheben. Doch das Allerbeste: Der Stil. Einfach großartig. Selten darf man eine so ungeschönte, reine, auf den Punkt kommende Story lesen, die zudem auch noch verdammt unterhaltsam ist.

Chaon überlässt bei dieser recht voluminösen (624 Seiten) Geschichte überhaupt nichts dem Zufall. Hier geht bereits ab der allerersten Seite gehörig die emotionale Post ab, so, dass ich wahrlich verblüfft war! Jeder Schritt wurde genauestens geplant und sorgsam auf die handelnden Charaktere abgestimmt. Das dürfte sich aus Lesersicht in jeder einzelnen Phase spürbar machen.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass er seine Kapitel außerordenlich kurz gehalten hat, häufig Zeitsprünge und Settingwechsel einbaut. Auch die Erzählperspektive wechselt häufig zwischen personaler- und Ich-Erzählsituation. Im Normalfall bin ich ja ein ganz klarer Gegner davon, den Leser aus einer sich langsam aufbauenden Gewohnheit rauszureissen, und derart wirsch

umherumzuspringen. Aber hier hat mir das überhaupt nichts ausgemacht. Es hat zu keinem Zeitpunkt den Lesefluss unterbrochen bzw. beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil: Diese Konzeption wirkte frisch, zügig, fordernd.

Der Fairness halber muss ich aber sagen, dass die Erzählung sehr (unnötig) ausgedehnt daherkommt. Ein/Zwei Kapitel (Vor allem die Vergangenheit betreffend) hätte man sich durchaus sparen dürfen. Außerdem lässt der eigentliche „Kriminalfall“ sehr lange (für meinen Geschmack ZU lange!) auf sich warten. Zu Beginn wurde eher das Protagonisten-Umfeld in den Fokus gestellt, der eigentliche Kern der Story etwas ausgeklammert. Diesen „Missstand“ bereinigt der Autor aber wieder. Alles gut. Weiter mit den Lobeshymnen. 


Fazit:


„Der Wille zum Bösen“ gliedert sich in 11 grundlegende Hauptteile, die sich wiederum in sehr viele Einzelkapitel unterteilen.

Euch zu erzählen, was sich in diesen unterschiedlichen Phasen der Erzählung abspielt, würde hier ganz klar den Rahmen sprengen. Außerdem möchte ich euch keinesfalls Teile der Story vorwegnehmen.

Was ich euch aber gerne mit auf den Weg geben kann und möchte, ist die Tatsache (ihr werdet es mir mit Sicherheit nach Beenden der Lektüre bestätigen), dass Dan Chaon einen Thriller/Krimi geschrieben hat, der fernab des Mainstreams liegt. Dafür ist die Art und Weise wie er seine Story vorantreibt viel zu extrovertiert, viel zu eigensinnig, zu andersartig. Mal ganz abgesehen vom Schreibstil, der mir im Übrigen verdammt imponiert hat, schafft er es, einen „Kriminalfall“, Ansätze eines Psychogramms, sowie kleine Auszüge einer „Coming-of-age“-Story miteinander zu verbinden. Ebenso die vielen Schauplatz-, Perspektiven-, sowie Erzählformenwechsel drücken der Handlung ihren ganz klaren Stempel auf. Und: Er kümmert sich nicht nur liebevoll um seine Hauptfigur, Psychologen Dustin Tillman, sonder mindestens genauso gut um seine Randfiguren, deren Charakterisierung durchaus notwendig ist, um die missliche Lage des Protagonisten begreifen zu können.

In Summe muss man sagen, ist es also kaum verwunderlich, dass Dan Chaon für die Fertigstellung dieser Geschichte, satte 5 Jahre gebraucht hat.


Dieser Titel ist - bis auf ein paar kleineren Mankos - ein absolutes Filetstück seiner Gattung und wurde von sämtlichen Pressevertretern völlig zurecht gelobt!


Auf jeden Fall gibt es eine klare, unbedingte Leseempfehlung!!!


Inhaltsangabe:


Eine Familientragödie, ein Serienmörder, Identität, Erinnerung und die Suche nach der Wahrheit – diese Elemente verwebt der amerikanische Bestsellerautor Dan Chaon zu einem faszinierenden Thriller. Im Mittelpunkt steht der Psychologe Dustin, den die Frage quält, wer seine Eltern ermordet hat. Als er auf den genialen Ermittler Aqil trifft, der angeblich seit Jahrzehnten einem Serienmörder auf der Spur ist, geraten beide in einen Mahlstrom aus Verbrechen und Abgründen, der in die Tiefen der Vergangenheit führt ... zu der Frage nach dem Bösen im Menschen. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0