Rezension: „Hex“ von Thomas Olde Heuvelt

Hexen: Es gibt wahrscheinlich kaum ein vergleichbares Mysterium, das in Hinblick auf Ästhetik und Auslegung von Attributionen so viele verschiedene Darstellungen und Intetpretationen zulässt.

Waren sie früher noch „kräuterverwertende“, mit Salben hantierende, naturheilkundige Frauen, so werden sie heute als abscheuliche, zurückgezogene Wesen deklariert, meist auf Besen reitend, mit Buckel, Warze und Katze im Schlepptau. Aber auch jene Bilder einer  betörenden Schönheit, die der schwarzen Magie zum Opfer gefallen ist und mit dem Teufel sympathisiert, gibt es zuhauf.

Nicht zu vergessen: Auch fernab der dunklen, bereits ausgetrenen Pfade, gibt es immer mal wieder Lichtblicke, die versuchen, den Hexenmythos auf die nächste, tiefgründigere Eben zu transportieren, unabhängig der Darstellungsweise. (Beispiel: ‚Matthew Corbett und die Hexe von Fount Royal’)


Dennoch haben all diese unterschiedlichen Auffassungen eines gemeinsam:


Sie sind bewährt, sprengen ein kleinwenig die Imaginationskraft und sind zudem extrem unheimlich.


Umso schwerer die Aufgabe für den Autor, DEN ultimativen, genreübergreifenden Hexenroman zu schreiben,...sind doch die Denkweisen der Leser so unfassbar individuell, speziell, subjektiv.


Wie also kann man der Vorstellung gerecht werden? 


„Hugo Award“ Gewinner Thomas Olde Heuvelt hat sich bei seinen Roman für die etwas klassischere Variante entschieden und es sich zur Aufgabe gemacht, diesen gewissen „Blair-Witch-Touch“ einzufangen, ihn neu - quasi postmodern - zu interpretieren und weiterleben zu lassen.

Die Schwierigkeit dabei: Altbekannte Storymuster ruhen zu lassen und in neues Gefilde vorzudringen.

Man merkt gleich zu Beginn, dass man es hier nicht mit einem Standardprodukt, sondern mit einer fein konzipierten Geschichte zu tun hat, die keinesfall in die Mainstream-Schublade gesteckt werden will. Zurecht!

Auf diesem Wege packt er viele unheimliche Szenen in ein überaus modernisiertes Setting, ist aber dennoch stets bedacht, sein Hauptaugenmerk auf die Charaktere - insbesonders auf die „Black Rock Witch“ Katherine van Wyler - zu richten.

Zugegeben: Sprachlich gesehen hätte ich mir da einen ambitionierteren, charmanteren Text gewünscht. So interessant sich mancher Satzaufbau auch gestalten mag, so einfach gestrickt lesen sich dann die Dialoge.

ABER, auf inhaltlicher Ebene: Die Art und Weise der Erzählung/Storytelling, das Setting, die Atmosphäre, die Ausarbeitung der Figuren, das Miteinbeziehen der Nebenhandlungsstränge,...ist Heuvelt erstklassig gelungen, das muss man an der Stelle auch mal ganz klar betonen.


Fazit:


‚Hex‘ ist grausam. ‚Hex‘ ist perfide. ‚Hex‘ ist die perfekte Mischung aus Old-School-Horror und „Outback-Movie“, ein gekonnt ausgeführter Balanceakt der unterschiedlichsten Genre-Spezifikationen, UND - jetzt kommt der springende Punkt - die Story wirkt zu keinem Zeitpunkt abgedroschen, ganz im Gegenteil: Man hat ständig das Gefühl etwas Neuartiges, etwas Mutiges vor sich liegen zu haben. Eine gepflegte Mischung aus  „The Woman in Black“, „The Village“, „The Ring“ und „The Blair Witch Project“,...neu interpretiert.

Und eines muss man klar und deutlich hervorheben: Katherine ist verdammt UNHEIMLICH! Ohja...DAS IST SIE!

Sie taucht unangekündigt auf, verweilt, dringt in Häuser ein, treibt die Bewohner Stück für Stück in den Wahnsinn, zieht einen extrem krassen Fluch mit sich und lässt niemanden aus Black Spring abhauen. Außerdem hat Heuvelt seiner Hexe einen blitzsauberen, unbehaglichen Background verpasst, der die ganze Sache nochmals um einige Stufen angsteinflößender macht.

Außerdem möchte ich hinzufügen - um eventuelle Ungereimtheiten aus dem Weg zu schaffen -, dass ‚Hex’ keinesfalls als „Pageturner“ einzustufen ist, sondern sich viel mehr als subtiler, bedachter, teils gesellschaftskritischer Roman herausstellt.


Um es kurz zu machen: Ich hatte beim Lesen eine Heidenangst! Und das lag einzig allein an dem Wesen von Katherine. 


Von mir gibt es eine ganz klare Empfehlung!!!


Inhaltsangabe:


Black Spring ist ein beschauliches Städtchen im idyllischen Hudson Valley. Hier gibt es Wälder, hier gibt es Natur - und hier gibt es Katherine, eine dreihundert Jahre alte Hexe, die den Bewohnern von Black Spring gelegentlich einen kleinen Schrecken einjagt. Dass niemand je von Katherine erfahren darf, das ist dem Stadtrat von Black Spring schon lange klar, deshalb gelten hier strenge Regeln: kein Internet, kein Besuch von außerhalb oder Katherines Fluch wird sie alle treffen. Als die Teenager des Ortes jedoch eines Tages genug von den ständigen Einschränkungen haben und ein Video der Hexe posten, bricht in Black Spring im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los...

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