Rezension: "Das Erwachen des Feuers" von Anthony Ryan

Zugegeben: Ich bin wahrlich nicht der größte Fantasyliebhaber. Dies liegt zumal an der sehr häufig vorkommenden oppulenten Ausführung der Story, die sich meist in einer wälzerartigen Ausgabe niederschlägt. (Was natürlich in Anbetracht der Fülle an Handlungskomponenten und atmosphärischen Elementen durchaus verständlich ist.) Erschwerend hinzukommt, dass es mir oft wahnsinnig schwerfällt, generell in die Geschichte hineinzufinden, mich mit den Protagonisten zu arrangieren, und/oder mich mit der ausgewählten Sprache zufriedenzugeben.

Jetzt kommt der springende Punkt: Es sei denn, Drachen dominieren die Storylandschaft.

Wenn bereits der Plot, bzw. die allgemeinen Vorzeichen darauf hindeuten, ein Handlungskonzept könnte sich rund um diese großartigen Kreaturen aufbauen, dann werden selbstverständlich oben angeführte Barrieren beiseite geschafft und der 830 Seiten Schmöker herzlich willkommen geheißen.


Genauso erging es mir bei Anthony Ryans "Das Erwachen des Feuers". Nach Beenden der Leseprobe war eines ganz klar: Bei diesem Titel könnte es sich um den großartigen Auftakt einer stilistisch außergewöhnlichen, epischen Trilogie handeln. Also: Absoluter Pflichtkauf? Ja? Nein? Es war auf jeden Fall schon mal "Liebe auf den ersten Blick".

Dass wir uns schlussendlich zu den glückseeligen Gewinnern der Testleseaktion auf 'Vorablesen.de' zählen durften, hat uns natürlich wahnsinnig gefreut, und bringt uns somit zu den entscheidenden "Gretchenfragen":


Wie war's?, Hält der Roman was er verspricht?, Wie steht es um den/die Protagonisten, oder mögliche Antagonisten?, Charakterisierung? Stil?, Sprache?, Pro/Contra?,...


Bereits zu Beginn (speziell im Prolog und in den ersten Kapiteln) führt Anthony Ryan seine Leser prompt in die doch recht wirsche Welt von Mandinorien ein. Er verzichtet auf eine strukturierte Einleitung, überspringt das klassischen Kennenlernen zwischen Leser und Protagonisten, und steigt direkt ins Geschehen der Geschichte ein. Im weiteren Verlauf wird die Erzählung dann immer komplexer/dichter, die Figuren prägnanter und vor alle die Hauptproblematik der Völker greifbarer: Der Kampf um eine vom aussterben bedrohte Spezies. Der Kampf um einen Mythos. Der Kampf um das so sehr begehrte, rar gewordene Blut der Drachen.


Neben dem starken Setting, der viktorianisch-atmosphärischen Szenenbilder (sehr häufig Dreh und Angelpunkt der Geschichte) und der heroischen Grundstimmung, hat mir außerdem gut gefallen, auf welche Art und Weise Ryan seine Geschichte aufgezogen hat: Sorgsam, vorsichtig, leicht auf der Bremse, immer stets im Hinterkopf, dass es sich hierbei um den ersten Teil einer Trilogie handelt. Da ist es enorm wichtig, dass man sich auf den wesentlichen Kern der Erzählung konzentriert, sich mit einem lang andauernden Geheimnis umgibt, und keinesfalls der Effekthascherei das Feld überlässt. Dies ist dem Autor zwar gut gelungen, dennoch muss ich fairerweise anführen, dass er - speziell zu Beginn - ein klein wenig am Thema vorbeischreibt, sich für meinen Geschmack zulange um Nebenhandlungen kümmert und etwas zu detailverliebt auftritt. ("Actionszenen" sind selbstverständlich gewünscht und auch - für meinen Geschmack - zur Genüge vorhanden, sollten aber stets Randerscheinungen bleiben und etwaige Ruhephasen lediglich unterstützen.)

Eines muss man Anthony Ryan aber zu Gute buchen: Auch in sprachlicher Hinsicht hat er sehr überzeugende Arbeit geleistet. Zudem wurden von ihm einige Mystery-Elemente, Anflüge eines "Agentenkrimis", sowie feine politische Einschläge gschickt und sorgsam in dieses überaus kluge Storykonzept miteingearbeitet, sodass sich der Titel schlussendlich eher weniger mit der Konkurrenz vergleichen lässt; dadurch zu den Raritäten im Genre gehört. Das hat er wirklich hervorragend gemeistert.


Daher trifft...


"Mühelos verbindet Ryan Drachen- Fantasy mit Spionageroman und Seeabenteuer, meisterhaft und glaubwürdig." (Publishers Weekly)


...tatsächlich zu!


Fazit:


Der erste Teil der Reihe -  'Das Erwachen des Feuers' (Draconis Memoria 1) - ist nicht nur ein gut konzipierter, aber auch zurückhaltender Serienstart, sondern zugleich eine als Fantasyepos getarnte Fallstudie der Habgier, Ausbeutung/Ausrottung von Minderheiten und letztendlich Verschwendung wertvoller Resourcen. Und obwohl sich sehr viele Szenen etwas unwirklich anfühlen, so sind sie der Realität näher als einem lieb ist.

An dieser Stelle ist es vielleicht auch wichtig zu erwähnen, dass Ryan seinen Inhalt in 3 Hauptteile, sowie 47 Kapitel unterteilt hat, die abwechselnd (aus der Erzählperspektive) von 3 "Main Characters" erzählen, die am stärksten in die Handlung eingebunden wurden. Dies bietet jede Menge Abwechslung und lässt die Geschichte - innerhalb der Erzählung - sehr vielschichtig/vielseitig wirken.

Auf sprachlicher Ebene hat man hier einen eleganten, fast elitären Ton getroffen, der sich relativ gut über den gesamten Inhalt hat stülpen lassen und dem Inhalt zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht.

Kleiner Tipp am Rande: Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei um einen 830 seitigen Trilogie-Auftakt handelt und somit längere Erklärungsphasen, jede Menge Charaktervorstellungen, sowie die Einführungen sämtlicher Nebenhandlungen völlig normal sind. 


Summa summarum kann man hier von einem wirklich gelungenem Band 1 der Serie sprechen!


Inhaltsangabe:


Kaum jemand kennt die Wahrheit: Die Drachen werden immer weniger und schwächer. Sollten sie aussterben, wäre ein Krieg Mandinoriens mit dem benachbarten Corvantinischen Kaiserreich unausweichlich. Alle Hoffnung des Drachenblut-Syndikats beruht auf einem Gerücht, nach dem es eine weitere Drachenart gibt, die weitaus mächtiger ist als alle anderen. Claydon Torcreek, ein Dieb und unregistrierter Blutgesegneter, wird von der obersten Herrschergilde in das wilde, unerforschte Inland geschickt, um einem Geschöpf nachzuspüren, das er selbst für reine Legende hält: dem weißen Drachen.

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