Rezension: "Dahmer ist nicht tot" von Edward Lee

Etablierte Kritiker/Leser/Kenner wissen: Edward Lee ist ein ganz, ganz Fieser, ein "litrarisches Monster", ein Irrer (im positivem Sinne) der die Klaviatur der Grausamkeit beherrscht wie kein Zweiter. Da ist es kaum verwunderlich, dass sich dies auch im Beisein weiblicher Gesellschaft kaum verändert. Ganz im Gegenteil: Elisabeth Steffen scheint das Fass mit ihrer fachlichen Kompetenz förmlich zum Explodieren zu bringen. Es verhält sich beinahe so, als würde man einen mordlustigen, menschenfressenden, auf die Totesstrafe wartenden Psychopaten, mit einer schulbuchmäßigen, unbelehrbaren,  - durch und durch - provokativen Polizeipsychologin in eine Zelle einsperren und sie untereinander zum Fraß vorzuwerfen. Brutale Verbalattacken, "korrumpierbares Schwanzlängenmessen" mentale Folter, sowie Mord und Totschlag sind vorprogrammiert.


Die Ausgangslage scheint hier klar zu sein:


Wir haben einen großartigen Plot vor uns liegen, der sich gut anfühlt und hervorragend in ein 320 seitiges Handlungskonstrukt umbauen lässt, einen kompromisslosen Anthagonisten, der für die nötige Würze im Figurenaufgebot sorgt und ein ungleiches und doch so harmonisches Autorenduo.

Da wäre einerseits Grenzgänger 'Edward Lee', der die künstlerische Freiheit im Genre voll auskostet, aber auch die Belastbarkeit der Leser auf ganz harte Proben stellt. Und Elisabeth Steffen, die auf fachlicher Ebene jede Menge Input liefern kann.

Edward Lee lässt seine Leser ja grundsätzlich in Brutalität ersäufen, sodass einem - ohne den Herrschaften zu nahe treten zu wollen - King, Laymon, Koontz, Ketchum,...wie lustige/harmlose Partyclowns auf einer Kindergeburtstagsfeier vorkommen. Lt. Richard Laymon sei Lee sogar, ich zitiere: "...literarische Körperverletzung!". Dem können wir uns vorbehaltlos anschließen!


ABER: In "Dahmer ist nicht tot" verhält es sich etwas anders: Zurückhaltender, harmloser, krimilastiger, mit viel stärkerem Hang zum Mainstream. Klar,...Serienmorde, Kanibalismus, Morbiditäten sind doch schlimm genug, oder?! FALSCH! Wer Edward Lee kennt, der weiß, es geht definitiv schlimmer, brutaler, voyeuristischer, mordlustiger.


Fazit:


Obwohl der neue Titel des Autorenduos wie eine zensierte "Edward Lee-Stand alone Variante" rüberkommt, wirkt er dennoch um einiges ambitionierter, scharfsinniger, reifer und erwachsener. Vor allem aber ist er sehr unterhaltsam. Eingefleischte Fans werden dies wahrscheinlich nicht hören wollen, aber mir persönlich hat diese neue Stil-Ausrichtung viel besser gefallen, als die altgewohnte plumpe Slasher-Nummer. Impulsgeber dafür könnte möglicherweise Co-Autorin Elisabeth Steffen sein. Leider sind mir aber einige "technische Schwächen" untergekommen: Stellenweise hat mir die Übersetzungsarbeit bzw. so manche Ausformulierung/Wortwahl etwas sauer aufgestoßen. Auch in Sachen Ausarbeitung und Prägungen der Protagonisten wäre noch viel mehr möglich gewesen. So bleiben sie dummerweise recht blass und oberflächlich, Ecken und Kanten habe ich vergeblich gesucht. ABER: Die unterhaltsame, gut konstruierte Haupthandlung um Ermittlerin Helen Cross entschädigt hier einiges, sodass ich am Ende des Fazits - die Mankos außen vorgelassen - mit gutem Gewissen eine Empfehlung aussprechen kann.


Inhaltsangabe:


Hat Dahmer seinen eigenen Tod nur vorgetäuscht?


Im Juli 1991 fasste die amerikanische Polizei einen der teuflischsten Serienmörder der Geschichte – den Kannibalen Jeffrey Dahmer. Drei Jahre später wurde er im Gefängnis von einem anderen Insassen erschlagen ...Doch kurz nach dem Begräbnis beginnt eine weitere kannibalistische Mordserie. Fingerabdrücke, DNA und modus operandi – alle Spuren führen zu Dahmer. Die Ermittlerin Helen Closs ist sich sicher, dass es sich um einen perversen Nachahmer handelt ... bis in der Nacht ihr Handy klingelt und Jeffrey Dahmer selbst mit ihr redet. 

Eine fein geschliffene Geschichte. Edward Lee und die Serienkillerexpertin Elizabeth Steffen sind auf Augenhöhe mit den besten Kriminalschriftstellern. Gruselig und intelligent ... so wie Jeffrey Dahmer selbst.

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