Rezension: "Das Verschwinden der Adèle Bedeau" von Graeme Macrae Burnet

Graeme Macrae Burnet ist für uns, einer der außergewöhnlichsten Stimmen im Genre. 2013 wurde er mit dem 'Scottish Book Trust New Writer's Award'. Sein historisch-literarischer Krimi 'Sein blutiges Projekt' wurde 2016 sogar für den Man Booker Prize nominiert. Er zählt damit - ganz klar - zur absoluten Elite und gehört seitdem zu den "außergewöhnlichsten Neuentdeckungen" der internationalen Krimiszene.

Von Presse-/Medienvertretern, sowie Leser und Leserinnen, werden die Titel des in Kilmarnock geborenen Schotten, frenetiscn gefeiert.

 

Es ist von "Der größten literarischen Sensation.", "Krimikunst, jenseits öder Serienkillermetzelei und Schwedenballerei,...ja sogar von..."Meisterwerk" die Rede.

 

Sein Geheimnis?

 

Er beweist eine unfassbar scharfe Beobachtungsgabe hinsichtlich der Charakterentwicklung seiner Protagonisten, vermischt Fakt und Fiktion spielerisch und weiß um die Stärken seiner schriftstellerischen Fähigkeiten (Detailtreue, nonchalante Schreibe,...) bestens bescheid, UND er geizt natürlich nicht mit deren Einsatz.

 

Eine Rezensentin aus dem Netz trifft hier den Nagel auf dem Kopf:

 

"Graeme Macrae Burnet legt im Kostüm eines True-Crime-Romans eine messerscharf formulierte Sozialstudie der Lebensbedingungen schottischer Kleinbauern vor. Dabei entlarvt er den Rassismus der zur damaligen Zeit herrschenden Klasse, der im Windschatten vorgeblicher Wissenschaftlichkeit auftritt. Ebenso wird die fragwürdige Rolle der Kirche demaskiert, die die feudalen Zustände stützte und einer verhungernden Bevölkerung nicht mehr zu bieten hatte als Kritik an ihrer mangelnden Gläubigkeit. Die Zeugenaussagen, die der Autor zusammenstellt, entlarven eher deren Urheber und ihre Schwächen, als dass sie zum Persönlichkeitsbild von Roderick beitragen. Die Begutachtung von Rodericks Zurechnungsfähigkeit wirkt wie purer Sarkasmus, wenn zu Zeiten eines ausgeprägten Aberglaubens das Mitglied einer Familie mit Verbindungen zur „Anderen Welt“ darauf untersucht wird, ob es über Dinge spricht, die nicht zu sehen sind." (Ausug aus einer Rezension zu "Sein blutiges Projekt" von 'Buchdoktor' - gesehen auf http://www.buechereule.de/wbb2/thread.php?threadid=91656)

 

Das Verschwinden der Adèle Bedeau:

 

Wie auch bereits bei seinem Vorgänger bemerkbar, wartet Burnet erneut mit einer im Genre recht untypische Schreibe auf. Komplex, auf Wortwahl und Satzbau bedacht, zurückhaltend.

Das ist keinesfalls ein lieblos heruntergeschriebener, standardisierter Kriminalfall, vielmehr handelt es sich um ein punktgenau geschildertes, etwas voyeuristisches Psychogramm einer durch und durch dubiosen Hauptfigur, das im Laufe der Geschichte klarer, und vor allem nachvollziehbarer wird. Diese vom Stil her,perfekt durchstrukturierten Handlungsstränge, sind mir bisher nur bei ganz wenigen Autoren aufgefallen. Spontan einfallen würde mir hier 'Friedrich Ani' beispielsweise.

 

Da Burnet zu Beginn versucht, seinem Sonderling eine Geschichte zu geben, ihn relativ früh zu formen, und dieser aber einen etwas merkwürdigen, stets wiederkehrenden Tagesablauf erlebt, befindet man sich auf den ersten 40 Seiten in einer - zugegebenermaßen - kleinen Endlosschleife. Dies tut aber überhaupt nichts zu Sache, schließlich braucht er diese Volaufzeit ganz drigend, um seinem Protagonisten eine Grundlage und den Lesern wichtige Background-Infos zu geben, die für den späteren Verlauf/Ausgang wichtig sein werden. Die Krimiphase des Buches kommt hingegen äußerst ambitioniert rüber, es etwickelt sich ganz langsam ein spitzfindiges Duell zwischen einem kautzigen Ermittler und einem unter Verdacht stehenden Durchschnittstypen.

Klar ist aber auch, dass der Autor seinen Handlungsverlauf keinesfalls darauf ausgelegt hat, "nervenaufreibende Spannung" zu erzeugen, vielmehr scheint ihm daran gelegen zu haben, es ruhiger angehen zu lassen, seine Figuren vorab zu charakterisierwn und bedacht in die Krimihandlung einzuführen. Dass man aufgrundessen über die ein oder andere langatmige Stelle stolpert, dürfte nicht verwunderlich sein.

 

Fazit:

 

Trotz klitzekleiner Schönheitsfehler in der Ausführung (Weniger Detailtreue im Handlungsstrang, deutlichere/prägnantere Charakterisierung der Hauptfigur,...) würde ich Burnets Kriminalroman in die Ecke 'lesenswert' verfrachten, denn das hat er sich ganz einfach verdient. Schließlich überwiegen die positiven Aspekte ganz deutlich! Und obwohl die Geschichte, dieses distanzierte, durchstrukturierte Psychogramm, wie ein kleiner, teils ungeschliffener Rohdiamant rüberkommt, glänzt er am Ende wunderbar.

 

Also: Klare Empfehlung!

 

Inhaltsangabe:

 

Keine Frage: Manfred Baumann ist ein Sonderling. Obwohl als Bankdirektor der elsässischen Gemeinde Saint-Louis in guter Stellung, tut sich der 36-Jährige schwer im Umgang mit Menschen. Umso wichtiger sind für den eigenbrötlerischen Junggesellen seine gewohnten Routinen: ein penibel geplanter Tagesablauf, die regelmäßigen Ausflüge nach Straßburg zu den leichten Mädchen von Madame Simone und die Besuche in seinem Stammlokal. Tag für Tag beobachtet er dort, meist schweigend, die blutjunge Kellnerin Adèle Bedeau. Bis sie eines Abends spurlos verschwindet. Manfreds Welt gerät ins Wanken, als Kommissar Georges Gorski die Ermittlungen im Fall Adèle Bedeau aufnimmt…

Wird Gorski, der noch immer schwer an einem lang zurückliegenden Ermittlungsfehler zu tragen hat, diesmal den richtigen Riecher haben und das plötzliche Verschwinden von Adèle aufklären, die wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint? Und was hat Manfred mit dem Fall zu tun, der auf einmal mit vergessen geglaubten Geistern seiner Vergangenheit kämpft?

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