Ein Thriller lebt von rasanten Szenen, mehreren sinnvollen Handlungssträngen, realistisch gezeichneten Figuren, punktgenauen,
überraschenden Wendungen und vor allem lebt ein Thriller von der Logik der am Ende zusammengetragenen Geschichte.
Viele von euch werden mich nun verfluchen und mich für unzurechnungsfähig erklären, aber Karin Slaughters "stand alone", erfüllt nicht einmal eines dieser genannten Markmale.
Es gibt drei Erzählstränge:
- Den von Claire, der Witwe, die im Nachlass ihres Mannes brutales Filmmaterial findet. Erzählperspektive.
- Den von Lydia, der "liebevollen" Mutter, mit einer "seltsamen, drogenlastigen" Vergangenheit. Erzählperspektive
- Den des Vaters, der seine Tochter verloren hat. Ich-Perspektive.
Claire und Lydia, die beiden Hauptakteure, sind mit einer derart konstruierten Vergangenheitsgeschichte ausgestattet worden, dass die Glaubwürdigkeit echt darunter leidet. Es fiel mir extrem
schwer, eine der beiden ins Herz zu schließen.
**********BEGINN SPOILER************
Claire findet irgendwo am Computer ihres verstorbenen Mannes mehrere Gewaltpornos, wo anscheinden Frauen gefoltert, vergewaltigt und qualvoll ums Leben kommen und nimmt diese Info so derartig
locker und gelassen auf, dass es sich fast schon wie eine Slapstick-Komödie liest. Lydia, die Schwester von Claire, früher mal kokssüchtig und heute clean, pinkelt auf das Grab des Mannes, der
sie früher angeblich mal versucht hat zu vergewaltigen und der rein zufällig auch noch der tote Lebensgefährte von Claire ist? Slapstick??
Dieser "Schlüsselmoment" führt die mittlerweile verfeindeten Schwestern wieder zueinander und lässt sie gemeinsam in folgenden Fällen ermitteln: "Warum habe ich jahrelang nicht mitbekommen, dass
mein Mann ein krankes, perverses Schwein ist????? Warum hat mein Mann ein ganzes Haus so gebaut, damit ich seine Snuff-Filmchen nicht finden kann???? Und ach ja, unsere Schwester, die damals
entführt wurde, könnten wir dann auch gleich suchen...!!!
Im Ernst???
...dabei rede ich erst von zwei Charakteren!! Von den restlichen Personen wie Polizeibeamten und FBI Leuten rede ich noch gar nicht.
************ENDE SPOILER************
Trotz oben angeführter Mängel, glaube ich dennoch, dass Karin Slaughter eine gute Schriftstellerin ist. Sie weiß, wie man eine Story aufbaut, wie man den Leser an Figuren heranführt und ihn ins
Familiendrama der Figuren miteinbindet. Leider wurde in "Pretty Girls" das vorhandene Potenzial nicht so wirklich ausgeschöpft! Die ersten Kapitel wirken noch frisch und halten das Interesse
hoch, dennoch wird schnell klar, dass einem ein äußerst langwieriger Verlauf bevorsteht: Sehr ausführliche, langsam voranschreitende Szenen, ewige Beschreibungen der Familiengeschichte und sehr,
sehr wenige Spannungsmomente. Eigentlich hätte man das Buch um gut die Hälfte kürzen können, denn einige Sätze verlieren sich vollständig in einer wirren Erzählung. Man hätte aber auch dem Leser
zu Beginn sagen dürfen, dass es sich hier mehr um eine Erzählung, als um einen "knallharten Thriller" handelt, vielleicht wäre ich dann anders an die Geschichte rangegangen.
Fazit:
Wendungen, die dem Thriller die notwendige Würze, die so dringende Erlösung verleihen, habe ich in Pretty Girls sehr vermisst! Von
künstlich herbeigeführter Spannung halte ich allerdings auch nicht besonders viel; hier wäre weniger, deutlich mehr gewesen. Man muss aber dazusagen, dass die positiven Meinungen zum Buch ja
nicht aus der Luft gegriffen sind. Weiß man zu Beginn, worauf man sich auf knapp 400 Seiten einlässt, akzeptiert man so manch lang erzähltes Familiendrama, so kann man damit durchaus seine Laune
haben. Mir persönlich war es für den Titel - "...eine der besten Thriller-Autorinnen unserer Zeit." - eindeutig zu wenig. So leid es mir tut: Da gab es 2015 bessere Thriller.
Inhaltsangabe:
März 1991. Nach einer Party kehrt die 19-jährige Julia nicht nach Hause zurück. Die eher halbherzig geführten Ermittlungen laufen ins Leere. Eine Leiche wird nie gefunden. Weder die Eltern
noch die beiden Schwestern der Vermissten werden je mit dem Verlust fertig. Vierundzwanzig Jahre später erschüttert eine brutale Mordserie den amerikanischen Bundesstaat Georgia. Und die
frisch verwitwete Claire ist vollkommen verstört, als sie im Nachlass ihres verstorbenen Mannes brutales Filmmaterial findet, in dem Menschen ganz offensichtlich vor der Kamera auf grausame
Weise ermordet werden. Eines der Opfer glaubt sie zu erkennen. Doch was hatte ihr verstorbener Mann damit zu tun? Wer war der Mensch wirklich, den sie über zwanzig Jahre zu kennen glaubte?
Claire begibt sich auf eine lebensgefährliche Spurensuche, die sie immer dichter an eine unfassbare Wahrheit führt. Und an den eigenen Abgrund...
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