Rezension: "Der Kult“ von Marlon James

Dass Marlon James eine besondere Begabung zum Schriftsteller hat, ist spätstens nach Beenden seines erst kürzlich veröffentlichten Romans „Eine kurze Geschichte von sieben Morden“ glasklar geworden. Doch was er mit den Charakteren in seinem Debütroman „Der Kult“ (John Crow’s Devil - Englische Originalausgabe - 2005) veranstaltet, ist schlichtweg unglaublich. Nein,...es ist verheerend.

 

Er nimmt die Langatmigkeit und die unbehagliche Stimmung eines ‚Andrew Michael Hurleys’, die bedrohliche Subtilität von ‚Josh Malermans’ „Bird Box“, und mixt sie mit dem Fanatismus, sowie mit der erzählfreudigen Ausgiebigkeit eines Stephen Kings in seiner besten Zeit.

 

Was Marlon James mit diesem Werk bezwecken möchten, bzw. worauf er die Aufmerksamkeit lenkt, ist mehr als klar: Er sagt dem Glauben, der fanatischen Zugehörigkeit, ganz klar den Kampf an und begegnet der Bestrafung Ungläubiger mit Bestrafung. Auge um Auge. Zahn um Zahn.

 

Dass er sich dabei eines literarisch hochwertigen Stilmittels bedient, bekommt der Handlung überaus wohl.

Man hat beim Lesen ständig das Gefühl, dem unausweichlichem Ende der Welt, dem Ende der Zivilisation entgegenzusteuern. Bedrohlich, wie ein verhängnisvoller Talisman.

 

Fast so, als hätte James die ‚Zehn Plagen‘ der Endzeit, das postapokalyptisches Siegel eigenhändig gebrochen, und die Grausamkeiten (auch im übertragenem Sinne) auf das Leben losgelassen.

 

Folgende Fragen bilden das Epizentrum des Geschehens:

 

Wo beginnt und endet die Definition der Sünde?

 

Was muss passieren, um aus „leichtgläubigen Bürgern“, dem Verdammnis bringenden Prediger hinterherhechelnde, mordende Fanatiker zu machen?

 

Was nützt es der Bevölkerung, das Unbehagliche/Ungläubige zu läutern und auszusperren, wenn sich die Infektion bereits in den eigenen Reihen befindet?

 

Seine Trophäensammlung kann sich jedenfalls sehen lassen:

 

2010: Dayton Literary Peace Prize

 

2010: Minnesota Book Award

 

2013: Musgrave-Medaille in Silber

 

2015: Anisfield-Wolf Book Award

 

2015: American Book Award

 

2015: OCM Bocas Fiction Prize for Caribbean Literature

 

2015: Minnesota Book Award

 

2015: Man Booker Prize

 

2016: Shortlist des International DUBLIN Literary Award

 

Fazit:

 

Zuerst kam der Krähenschwärm, dann der Apostel, der die todbringende Apokalypse einleitete.

 

Übrig blieb lediglich Dunkelheit.

 

In Marlon James‘ biblischem Meisterstück - „Der Kult“ - verbinden sich Verschwörungen, fanatische Gruppenbildungen, missinterpretierte Exorzismen, Ketzereien und absichtlich fehlgeleitete Predigten über die Verdammnis zu einer einzigen Farce, einer Odyssee, einem - im Ausdruck - literarisch brutal schönen Gemetzel.

Am meisten imponiert hat mir James‘ Fähigkeit, pure Poesie und rotzige Sprachmomente gekonnt miteinander zu verbinden. Vor allem aber handelt es sich um eine provokative Kampfansage an das ‚Hermetische Prinzip‘ (Ursache&Wirkung), das mittels blasphemischen Einwirkungen, in den Hintergrund gedrängt werden soll.

 

Es ist die grauenvolle Geschichte des fremden Predigers York, der gekommen ist, um eine ganze Gemeinde mittels Gehirnwäsche auf seinen „rechten Weg“ zu führen. Demonstrativ dafür, was eine fehlgeleitete, bösartige Predigt anrichten kann. Logische Folge: Chaos und Anarchie!

 

Doch so hart und unbarmherzig diese Geschichte auch klingen mag, so ist sie doch mit einem gesunden Maß an unterschwelligem Humor erzählt worden. Das ein oder andere Augenzwinkern habe ich durchaus rauslesen können.

 

Kleine Warnung am Rande: Man darf sich hierbei keinen klassisch spannenden Pageturner erwarten, bei dem im Minutentakt gehörig die Fetzen fliegen, nur um das mal klarzustellen. Vielmehr bekommt man eine ruhige, religiös triefende Erzählung, in der sich der Horror und das Grauen unter Deck befindet, sich langsam, subtil entfaltet.

 

Wer die „Apokalypse“ andächtig und schleichend erleben möchte, der ist mit „Der Kult“ bestens beraten.

 

Ich bin mir zu 100% sicher, dass diese Story, bzw. das Thema das er in diesem Werk verarbeitet hat, so zeitlos ist, dass es die Jahrzehnte überdauern wird!

 

Für all jene, die mit den oben angeführten Punkten etwas anzufangen wissen, sei unsererseits, eine klare Empfehlung auszusprechen!

 

„Jede Stadt der Rechtschaffenheit hat eine Mauer, sagte der Apostel. Dass sei Gottesweg, die Helligkeit drin und das Laster draußen zu halten.“ (Seite 9)

 

Inhaltsangabe:

 

Im Dorf Gibbeah beginnt der Sonntag mit einem bösen Omen: Während der Morgenmesse fliegt ein Geier durch das geschlossene Kirchenfenster und schlägt tot auf der Kanzel auf. Nur wenige Minuten später wirft ein schwarz gekleideter Fremder den Dorfprediger zu Boden und übernimmt die Kontrolle über die Gemeinde. Als selbst ernannter Apostel York predigt er Rache und Verdammnis. Doch der alte Prediger weigert sich, seinen Platz widerstandslos abzugeben. Ein gnadenloser Glaubenskampf beginnt. Das Dorf scheint dem Untergang geweiht.

 

Pressestimmen:

 

»So filmisch, dass sich Bilder aus den Seiten erheben.« (The Independent)

 

»Man denkt an Toni Morrsion, Jessica Hagedorn und Garbiel García Márquez.« (Kaylie Jones)

 

»Literarisch Hochprozentiges mit garantierter Rauschwirkung. Sehr empfehlenswert.« (Library Journal)

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